OLG Frankfurt a.M.: Zur markenrechtswidrigen Benutzung eines Begriffs als Metatag

veröffentlicht am 27. Dezember 2016

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 06.10.2016, Az. 6 U 17/14
§ 14 MarkenG

Das Urteil haben wir hier besprochen (OLG Frankfurt – Markenverstoß durch Metatag), zum Volltext der Entscheidung gelangen Sie nachfolgend:


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Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15.01.2014 verkündete Urteil der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt abgeändert.

1.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,

das Kennzeichen scan2net im HMTL-Quellcode auf ihren Internetseiten, insbesondere auf der Internetseite www.(…)als versteckten Suchbegriff anzugeben.

2.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus Handlungen gemäß Ziff. 1 entstanden ist oder noch entstehen wird;

3.

Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über den Umfang der Handlungen gemäß Ziff. 1.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 120.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe


I.
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Ansprüche gegen die Verwendung einer Bezeichnung als Metatag geltend.

Die Klägerin entwickelt und vertreibt Großformatscanner. Ihre Produkte ermöglichen das direkte Scannen auf Netzwerke, d.h. ohne Zwischenschaltung eines externen Rechners. Sie ist Inhaberin der deutschen Wortmarke „Scan2Net“ mit Priorität vom 15.09.2004, die am 10.03.2005 u.a. für Waren der Klasse 9, darunter „Computerhardware und -software, Computerperipheriegeräte, insbesondere Scanner“ eingetragen wurde (Anlagen K1, K2).

Die Beklagte stellt her und vertreibt Buchscanner. Sie nutzt zum Vertrieb eine Internetseite mit dem Domainnamen www.(…) . Im HTML-Quellcode der Internetseite finden sich in Zeile 8 folgende Angaben (Anlage K4):

<meta name=“keywords content=“Buchscanne Software für Buchkopierer, eigene Entwicklung, scant to net, scan to usb, scan2net, scant2usb, scan to mail, “ />

Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihrer Marke. Hilfsweise stützt sie die Klage auf einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot, §§ 3, 5 UWG. Sie begehrt Unterlassung der Zeichenverwendung sowie Auskunft und Schadensersatz.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Das DPMA hat die Klagemarke mit Beschluss vom 13.11.2013 teilweise gelöscht, unter anderem bezüglich der Waren in Klasse 9 „Computerhardware und -software, Computerperipheriegeräte, insbesondere Scanner“. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Beschluss, Anlage B12, Bl. 216 d.A. Bezug genommen. Mit Beschluss vom 29.2.2016 hat das BPatG den Beschluss des DPMA über die teilweise Löschung aufgehoben (27 W (pat) 26/14). Zur Begründung hat es ausgeführt, eine beschreibende Verwendung des Markenworts „Scan2Net“ zum Anmeldezeitpunkt im September 2004 sei nicht feststellbar (§ 8 II Nr. 1 MarkenG). Es könne auch nicht festgestellt werden, dass im Jahr 2004 vernünftigerweise zu erwarten war, dass die Bezeichnung in Zukunft als Sachangabe Verwendung finden kann (§ 8 II Nr. 2 MarkenG). Es wird auf die Anlage BB6, Bl. 526 d.A. Bezug genommen. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Zeichengebrauch durch die Beklagte stelle keine markenmäßige Benutzung im Sinne des Markengesetzes dar. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

1. gegen Abänderung des am 15.1.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, das Kennzeichen scan2net im HTML-Quellcode auf ihren Internetseiten, insbesondere auf der Internetseite www.(…), als versteckten Suchbegriff anzugeben;

2.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus Handlungen gemäß Ziff. 1 entstanden ist oder noch entstehen wird;

3.
die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über den Umfang der Handlungen gemäß Ziff. 1.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Benutzung der Bezeichnung „scan2net“ im HTML-Quellcode ihrer Internetseite (§ 14 II Nr. 1, V MarkenG).

a)
Die Klägerin ist Inhaberin der Wortmarke „Scan2Net“. Wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, ist das Verletzungsgericht an die Eintragung der Marke gebunden (BGH GRUR 2008, 798, [BGH 05.06.2008 – I ZR 169/05] Rn. 14 – POST I). Der Senat hat deshalb davon auszugehen, dass der Klagemarke insbesondere nicht jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen ist.

b)
Die Beklagte hat die Bezeichnung „scan2net“ als Metatag im HTML-Code der Internetseite www.(…)verwendet (Anlage K4). Die Beklagte hat zwar erstinstanzlich bestritten, die Bezeichnung „Scan2Net“ als Metatag eingegeben zu haben. Das Bestreiten bezog sich jedoch ersichtlich nur auf die Schreibweise mit Großbuchstaben. Dies ist unerheblich. Aus dem vorgelegten Quellcode-Ausdruck ergibt sich die Schreibweise mit kleinen Anfangsbuchstaben. Die Echtheit des Quellcode-Ausdrucks ist unstreitig. Die Beklagte hat auch eingeräumt, dass sie den Begriff „scan2net“ nachträglich aus den Metadaten des HTML-Dokuments gelöscht hat (Bl. 73, 169 d.A.). Er muss also vorhanden gewesen sein. Sie hat außerdem die Feststellungen des Landgerichts nicht angegriffen, wonach im HTML-Quellcode der Beklagten die in Anlage K4 ersichtlichen Metadaten enthalten waren.

c)
Die Beklagte hat die Bezeichnung „scan2net“ markenmäßig benutzt. Der Verletzungsrichter muss unabhängig von der Bindung an die Eintragung der gleichlautenden Klagemarke prüfen, ob gerade die beanstandete Verwendungsform markenmäßig, insbesondere in einer die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigenden Art und Weise benutzt wird (BGH GRUR 2007, 780 Rn. 24 [BGH 25.01.2007 – I ZR 22/04] – Pralinenform). Nach Gesamtwürdigung aller Umstände ist von einer markenmäßigen, die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigenden Benutzung auszugehen.

aa)
Für eine markenmäßige Verwendung reicht es grundsätzlich aus, dass ein Zeichen dazu benutzt wird, das Ergebnis des Auswahlverfahrens in der Trefferliste einer Internetsuchmaschine zu beeinflussen um den Nutzer, der das Zeichen als Suchwort eingibt, zu der Internetseite des Verwenders zu führen (BGH GRUR 2009, 1167 Rn. 14 [BGH 07.10.2009 – I ZR 109/06] – Partnerprogramm; GRUR 2010, 835 Rn. 25 [BGH 04.02.2010 – I ZR 51/08] – POWER BALL). Dies ist unter anderem dann anzunehmen, wenn das Markenwort als „Metatag“ in dem normalerweise für den Nutzer nicht sichtbaren Quelltext der Internetseiten enthalten ist (BGHZ 168, 28 Rn. 17, 19 – Impuls; BGH GRUR 2007, 784 Rn. 18 [BGH 08.02.2007 – I ZR 77/04]- AIDOL). Die Beklagte hat den Begriff „scan2net“ als Metatag im Quelltext ihrer Internetseite verwendet (Anlage K4).

bb)
Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Begriff im Quelltext allein in einem beschreibenden Zusammenhang verwendet wird. In diesem Fall fehlt es an einer markenmäßigen Benutzung, selbst wenn der Begriff durch das vom Beklagten nicht beeinflussbare Auswahlverfahren einer Suchmaschine in der Trefferliste in einen Zusammenhang gestellt wird, dem der Verkehr eine markenmäßige Benutzung dieser Begriffe entnimmt (BGH GRUR 2009, 1167 Rn. 18 [BGH 07.10.2009 – I ZR 109/06] – Partnerprogramm). Dem als Verletzer in Anspruch Genommenen obliegt eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Umstände, die für eine nur beschreibende Bedeutung des in Rede stehenden Begriffs im Quelltext sprechen (BGH aaO Rn. 19).

cc)
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann eine glatt beschreibende Verwendung des Metatags „scan2net“ nicht festgestellt werden.

(1)
Es kann unterstellt werden, dass der Verkehr dem Begriff „scan2net“ einen beschreibenden Inhalt beimisst, wenn er ihm im Zusammenhang mit Scannern, die an Netzwerke angeschlossen werden können, unmittelbar begegnet. Wie das BPatG in anderem Zusammenhang zutreffend festgestellt hat, bedeutet das zum englischen Grundwortschatz gehörende Wort „scan“ als Verb „abtasten, absuchen, skandieren“ und als Substantiv „Absuchen, Abtastung“. Der Begriff „Scan“ ist inzwischen in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen und steht für „Scanning“ (= Untersuchung, Abtasten mithilfe eines Scanners). Das englische Wort ist wie das entsprechende Verb „scannen“ (= mit einem Scanner abtasten) auch im Deutschen gebräuchlich (BPatG, Beschl. v. 4.12.2013 – 28 W (pat) 85/11, Rn. 17 – juris). Der Begriff „net“ wird vom Verkehr als Abkürzung für „Internet“ verstanden. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden. Somit sieht der Verkehr in der Gesamtbezeichnung „scan to net“ eine Abkürzung für die Wendung „Scannen ins Netz“. Damit wird letztlich eine Funktion der von den Parteien vertriebenen Geräte beschrieben. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Durchschnittsverbraucher diesen beschreibenden Gehalt auch erkennt, wenn er der Schreibweise „scan2net“ begegnet. Ihm wird sich nach kurzer Überlegung erschließen, dass die Ziffer 2 für die Präposition „to“ verwendet wird. Ähnliche Schreibweisen sind dem Durchschnittsverbraucher schon an anderer Stelle bei englischen Begriffspaaren begegnet. Auch insoweit kann auf die vom Landgericht aufgeführten Beispiele Bezug genommen werden. Ob bei den hier maßgeblichen Fachkreisen, die sich nach Angaben der Beklagten vorwiegend aus Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes zusammensetzen, in diesem Punkt ein vom Durchschnittsverbraucher abweichendes Verkehrsverständnis anzunehmen ist, kann im Ergebnis offen bleiben.

(2)
Für eine markenmäßige Benutzung spricht im Streitfall entscheidend die Besonderheit, dass die Bezeichnung lediglich im Quellcode der Internetseite als Metatag abgebildet ist. Es steht keine Markenverwendung in Rede, bei der der Verkehr die Bezeichnung unmittelbar wahrnimmt, sie also liest oder hört. Er stößt vielmehr auf die Internetseite der Beklagten, wenn er den Begriff selbst als Suchwort eingibt. Die Frage der markenmäßigen Benutzung hängt in diesem Fall davon ab, ob der Nutzer bereits bei der Eingabe das Suchwort für eine Marke oder einen generischen Begriff hält. Auch wenn der Verkehr dem ihm unmittelbar begegnenden Begriff „scan2net“ aus den genannten Gründen einen beschreibenden Inhalt beimisst, folgt daraus noch nicht, dass er auch dann, wenn er selbst mit Hilfe einer Suchmaschine Informationen über die Technik des unmittelbaren Scannen in Netzwerke oder die entsprechenden Produkte erhalten möchte, sich hierzu des Suchworts „scan2net“ bedienen wird. Auch wenn der Nutzer inzwischen in der Lage sein mag, innerhalb einer englischsprachigen Wortfolge die Zahl 2 als Synonym für das Wort „to“ zu erkennen, ist diese Schreibweise im deutschen Sprachraum noch nicht derart verbreitet, dass sie auch bei der aktiven Bildung von Suchwörtern ohne weiteres Verwendung findet. Da weder ersichtlich noch von der Beklagten dargetan ist, dass „scan2net“ ansonsten bisher schon in nennenswertem Umfang als generischer Begriff tatsächlich verwendet worden ist, wird das mit der Klagemarke identische Suchwort nur oder jedenfalls weit überwiegend von solchen Nutzern verwendet, die diese Marke kennen und hierüber nähere Informationen erhalten wollen. Unter diesen Voraussetzungen stellt die Verwendung der Marke als Metatag eine markenmäßige, die Herkunftsfunktion beeinträchtigende Benutzung dar.

(3)
Die Entscheidung „Partnerprogramm“ des BGH steht dieser Würdigung nicht entgegen. Es liegt kein Fall vor, bei der eine Bezeichnung im Quellcode in einen rein beschreibenden Zusammenhang gestellt wurde und erst durch das – vom Seitenbetreiber nicht beeinflussbare – Auswahlverfahren einer Suchmaschine das Markenwort in der Trefferliste in einer Art und Weise erscheint, welcher der Verkehr eine markenmäßige Benutzung entnimmt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Angaben in Zeile 8 des Quellcodes etwa einen Erläuterungstext auf der Internetseite betreffen oder sonst in einem beschreibenden Kontext stehen. Vielmehr steht der Begriff in der Rubrik „meta name=“keywords“ und nicht in der Rubrik „meta name=“description“ (Zeile 11). Der Bereich „meta name=“keywords“ im HTML-Code ist für Stichwörter vorgesehen und zielt damit gerade auf die schlagwortartige Suchworteingabe ab.

(4)
Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob durch die streitgegenständliche Zeichenverwendung auch die Werbefunktion und die Investitionsfunktion der Marke beeinträchtigt werden.

d)
Es liegt ein Fall der Doppelidentität vor (§ 14 II Nr. 1 MarkenG). Die Marke „Scan2Net“ findet sich in der Schreibweise „scan2net“ im HMTL-Code der Beklagten wieder. Der Unterschied in der Groß- und Kleinschreibung schließt den Identitätsschutz nicht aus (BGH GRUR 2015, 607 Rn. 21 [BGH 12.03.2015 – I ZR 188/13] – Uhrenankauf im Internet). Die Marke ist für „Scanner“ eingetragen. Die Beklagte bewirbt auf ihrer Internetseite Scanner.

2.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte wegen der festgestellten Markenverletzung nach § 14 Abs. 6 MarkenG auch Anspruch auf Schadensersatz (Antrag zu 2.). Zur Vorbereitung der Schadensberechnung kann sie gemäß § 242 BGB die beantragten Auskünfte verlangen (Antrag zu 3.).

3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht erfüllt.

Vorinstanz:
LG Frankfurt a.M., Az. 3-10 O 60/13