OLG Frankfurt a.M.: Zum Schutzumfang eines Designs (Küchenmesser)

veröffentlicht am 23. Juli 2018

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 14.06.2018, Az. 6 U 24/17
Art. 8 GGV, Art. 10 GGV, Art. 83 GGV, Art. 98 GGV


Eine kurze Zusammenfassung der Entscheidung des OLG Frankfurt finden Sie hier (OLG Frankfurt – Design Küchenmesser). Den Volltext haben wir für Sie nachfolgend wiedergegeben:


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Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 16.11.2016, Az. 3-08 O 70/16 teilweise abgeändert:

1.)
Die Beklagte wird verurteilt,

a)
es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Gebiet der Europäischen Union Messer mit dem aus Anlage K 15 ersichtlichen Design

mit folgenden Merkmalen:

diagonal abgeschrägtes Ende des Messergriffs;
hervortretende Kanten auf beiden Seiten des Messergriffs;
Unterteilung beider Seiten des Messergriffs in verschiedene geometrische Teilflächen;
herzustellen, zu importieren, zu besitzen, anzubieten, zu bewerben, zu verkaufen, zu vertreiben, insbesondere auch über einen Onlineshop oder sonst in den Verkehr zu bringen;

b)

die in Ziffer 1 genannten Messer, die sich noch in ihrem mittelbaren oder unmittelbaren Besitz oder ihrem Eigentum befinden, auf eigene Kosten unter Erbringung eines Nachweises zu vernichten;

c)

jegliche Abbildungen der in Ziffer 1 genannten Messer bei ihrem Onlineshop unter www.(…).de, in Katalogen, Printmaterial etc. dauerhaft zu entfernen;

d)

unter Vorlage von Belegen Auskunft zu erteilen über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß vorstehender Ziffer 1, insbesondere über die Herkunft und Vertriebswege der unter Ziffer 1 beschriebenen Messer unter Angabe der Namen und Anschriften der Abnehmer und Auftraggeber, etwaiger Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, sowie über die Menge der hergestellten oder erhaltenen, ausgelieferten und von dritter Seite bestellten Messer;

e)

über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß vorstehender Ziffer 1 Rechnung zu legen unter detaillierter Aufschlüsselung aller mit den Messern erzielten Umsätze und Gewinne;

2.)

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die dieser aus den Verletzungshandlungen gemäß vorstehender Ziffer 1.1. bereits entstanden sind und/oder noch entstehen werden.

3.)

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 2.948,90 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19. September 2015 zu zahlen.

II.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 270.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V.

In Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung wird der Streitwert für beide Instanzen auf 250.000,00 € festgesetzt.

Gründe


I.
Die Klägerin macht Ansprüche aus Designrecht sowie hilfsweise aus ergänzendem Leistungsschutz hinsichtlich eines Küchenmessers geltend.

Sie ist Inhaberin des Gemeinschaftsgeschmacksmusters … (Anlage K 3), für das neben fünf weiteren folgende Abbildungen hinterlegt sind:

[Abb.]

Zudem vertreibt die Klägerin die Messerserie A nach ihren Angaben weltweit u.a. über ihre französische Website (Anlage K 4). Wegen der Gestaltung des – dem Klagemuster entsprechenden – Modells „A1“ wird auf das in der Berufungsverhandlung überreichte Messer verwiesen.

Die Beklagte bot auf ihrer Homepage unter der Bezeichnung ein Messer „B“ an, wegen dessen Gestaltung auf die Anlage K 15 Bezug verwiesen wird.

Mit dem angegriffenen Urteil, auf dessen Inhalt gemäß § 540 I, 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht hat die auf Designrecht und hilfsweise auf ergänzenden Leistungsschutz gestützte Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Schutzumfang des Designs sei nicht als weit anzusehen, da die Gestaltung aus dem Formenschatz nicht herausrage. Die in geometrische Teilflächen aufgegliederte Griffstruktur sei nicht zu berücksichtigen, da dies aus den hinterlegten Abbildungen nicht hervorgehe. Auch auf das tatsächliche vertriebene Messer (Anlage K 2) könne zur Auslegung nicht zurückgegriffen werden, da dies in vielfacher Hinsicht nicht dem Klagemuster entspreche. Schließlich werde das Muster nicht entscheidend durch den Griff, sondern vielmehr die Klinge geprägt. Ausgehend hiervon entstehe beim informierten Betrachter ein abweichender Gesamteindruck, insbesondere durch die abweichende Klingengestaltung. Ansprüche aus ergänzendem Leistungsschutz scheiterten schon daran, dass die Klägerin einen Vertrieb in Deutschland schon nicht ausreichend dargetan habe. Jedenfalls aber fehle es hier an einer Nachahmung, da der Verkehr den Griff eines Messers in der Hand halte und daher nur der Klinge Aufmerksamkeit zuwende. Schließlich ergebe sich aus der Kollektion „C“ der Beklagten (Anlage B 1, B2), dass das angegriffene Messer eine eigenständige Zweitentwicklung und damit keine Nachahmung sei.

Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiter.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagte und jetzige Berufungsbeklagte zu verurteilen,

1.) es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen im geschäftlichen Verkehr im Gebiet der Europäischen Union Messer mit dem aus Anlage K 15 ersichtlichen Design

mit folgenden Merkmalen:

diagonal abgeschrägtes Ende des Messergriffs;
hervortretende Kanten auf beiden Seiten des Messergriffs;
Unterteilung beider Seiten des Messergriffs in verschiedene geometrische Teilflächen;
schräg angeschnittene Gestaltung des Messerkropfes und der Kante des Messergriffs;
herzustellen, zu importieren, zu besitzen, anzubieten, zu bewerben, zu verkaufen, zu vertreiben, insbesondere auch über einen Onlineshop oder sonst in den Verkehr zu bringen;

2.) die in Ziffer 1 abgebildeten Messer, die sich noch in ihrem mittelbaren oder unmittelbaren Besitz oder ihrem Eigentum befinden, auf eigene Kosten unter Erbringung eines Nachweises zu vernichten;

3.) jegliche Abbildungen der in Ziffer 1 abgebildeten Messer bei ihrem Onlineshop unter www.(…).de, in Katalogen, Printmaterial etc. dauerhaft zu entfernen;

4.) unter Vorlage von Belegen Auskunft zu erteilen über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß vorstehender Ziffer 1, insbesondere über die Herkunft und Vertriebswege der unter Ziffer 1 beschriebenen Messer unter Angabe der Namen und Anschriften der Abnehmer und Auftraggeber, etwaiger Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, sowie über die Menge der hergestellten oder erhaltenen, ausgelieferten und von dritter Seite bestellten Messer;

5.) über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß vorstehender Ziffer 1 Rechnung zu legen unter detaillierter Aufschlüsselung aller mit den Messern erzielten Umsätze und Gewinne;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die dieser aus den Verletzungshandlungen gemäß vorstehender Ziffer 1.1. bereits entstanden sind und/oder noch entstehen werden;

III. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 3.399,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19. September 2015 zu zahlen;

In der Berufungsverhandlung hat der Klägervertreter erklärt, dass mit dem Klageantrag die in Bezug genommene konkrete Verletzungsform angegriffen werden soll und die weiter beigefügte Beschreibung lediglich der Erläuterung dieser Verletzungsform dient.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache bis auf einen Teil der Nebenforderungen Erfolg. Die Beklagte hat durch das Angebot des Messers „B“ (Anlage K 15) das eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin (Anlage K 3) verletzt. Der Klägerin stehen daher sowohl der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus Art. 19 I, 89 I lit. a GGV als auch der Auskunftsanspruch sowie der Schadensersatzfeststellungsanspruch aus Art. 89 I lit. d GGV, §§ 46 I, 42 II DesignG zu. Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten aus Art. 88 II und III GGV, §§ 677, 683, 670 BGB, der allerdings nicht in der geltend gemachten Höhe besteht.

1.
Der Senat hat nach Art. 85 I 1 GGV von der Schutzfähigkeit des Gemeinschaftsgeschmacksmusters auszugehen.

2.
Das von der Beklagten angebotene Messer „B“ verletzt das Klagegeschmacksmuster der Klägerin, da es beim informierten Betrachter keinen anderen Gesamteindruck (Art. 10 GGV) hervorruft.

a)
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist bei der Bestimmung des Schutzumfangs des Musters der Griff einschließlich seiner „strukturierten“ Oberfläche nicht außer Betracht zu lassen. Soweit das Landgericht dies damit begründet hat, aus den im Register hinterlegten Bildern lasse sich das dreidimensionale Muster nicht erkennen, kann der Senat dem nicht folgen. Der Gegenstand des Geschmacksmusterschutzes kann sich zwar nur auf diejenigen Merkmale der Erscheinungsform eines Erzeugnisses erstrecken, die anhand seiner Wiedergabe in der Anmeldung eindeutig erkennbar sind (vgl. zum deutschen Recht BGH GRUR 1977, 602, 604 – Trockenrasierer; BGH, GRUR 2012, 1139 [BGH 08.03.2012 – I ZR 124/10] Rnr. 16 – Weinkaraffe). Die von der Klägerin als mitbestimmend angesehenen Merkmale der geometrischen Aufteilung der Seitenflächen des Griffs lassen sich den hinterlegten Abbildungen jedoch hinreichend deutlich entnehmen. Die in der mündlichen Verhandlung in erster Instanz übergebenen Lichtbilder (Bl. 88 ff. d.A.) stellen – wie eine Einsicht in das Register bestätigt – Ausdrucke der hinterlegten Bilder dar. Aus diesen Bildern ergibt sich in ihrer Gesamtschau hinreichend deutlich die geometrische Unterteilung des Messergriffs.

Die Anmeldung eines Geschmacksmusters ist nicht nur eine Verfahrenshandlung, sondern auch eine Willenserklärung. Der Anmelder bringt damit sein Begehren zum Ausdruck, für die in der Anmeldung sichtbar wiedergegebene Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon Geschmacksmusterschutz zu erlangen. Bei Unklarheiten der Anmeldung ist daher der Wille des Anmelders durch Auslegung zu ermitteln. Dabei muss auf den Empfängerhorizont der Fachkreise des betreffenden Sektors abgestellt werden. Denn bei der Auslegung muss das Interesse des Verkehrs berücksichtigt werden, klar erkennen zu können, wofür der Anmelder Schutz beansprucht. Im Wege der Auslegung können auf diese Weise auch Unklarheiten beseitigt werden, die durch unterschiedliche Darstellungen verschiedener Ausführungsformen des Geschmacksmusters in der Anmeldung entstehen (BGH GRUR 2012, 1139 – Weinkaraffe, Rnr. 23 m.w.N). Bei dieser Auslegung ist entgegen der Ansicht des Landgerichts auch das tatsächlich durch die Klägerin vertriebene Produkt zu berücksichtigen. Da im Bereich der Geschmacksmuster die Person, die den Vergleich vornimmt, der informierte Benutzer ist, der sich vom einfachen Durchschnittsverbraucher unterscheidet, können bei der Beurteilung des Gesamteindrucks, den das fragliche Geschmacksmuster hervorruft, grundsätzlich die tatsächlich vertriebenen Erzeugnisse, die diesen Geschmacksmustern „entsprechen“, herangezogen werden (EuGH GRUR 2012, 506 PepsiCo). Das Landgericht hat insoweit zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass das tatsächlich vertriebene Produkt (Anlage K 2) im Vergleich zum Muster Unterschiede aufweist, die nach Auffassung des Landgerichts eine Heranziehung ausschließen. Dies ist im vorliegenden Fall das in der Berufungsverhandlung überreichte Modell „A1“ der Klägerin, welches dem im Klagemuster abgebildeten Messer entspricht.

b)
Das Klagemuster weist kein im Sinne von Art. 8 I Nr. 1 GGV ausschließlich durch die technische Funktion bedingtes Gestaltungsmerkmal auf, das bei der designrechtlichen Beurteilung auszublenden wäre (vgl. hierzu Senat GRUR-RR 2016, 234 – Einkaufswagenchip, Rn. 13 m.w.N.). Zwar greift dieser Schutzausschluss- bzw. Schutzbegrenzungsgrund nach der Rechtsprechung des Gerichthofs der Europäischen Union (vgl. WRP 2018, 546 – DOCERAM/CeramTec) nicht erst dann ein, wenn es zu dem Merkmal keine technische Alternative gibt; vielmehr reicht es aus, dass aus objektiver Sicht bei der Entscheidung für dieses Merkmal andere Erwägungen als diejenige, damit die technische Funktion des Erzeugnisses zu erfüllen, keine Rolle gespielt haben (EUGH a.a.O. Rn. 26). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch – auch im Hinblick auf die Messerklinge – nicht erfüllt. Jedenfalls die winkelartige doppelte Abschrägung der Klinge am griffseitigen Ende enthält einen gewissen ästhetischen Überschuss, mit dem mehr als nur die Erreichung der technischen Funktion der Klinge erzielt werden soll. Dass der Griff ebenfalls einen solchen ästhetischen Überschuss enthält, steht außer Frage.

c)
Das Klagemuster verfügt nach dem Sach- und Streitstand über einen weiten Schutzbereich, der die angegriffene Ausführungsform umfasst.

aa)
Der Schutzumfang eines Designs bzw. Geschmacksmusters wird zunächst durch den Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers in der Weise bestimmt (Art. 10 II GGV), dass in Wechselwirkung zueinander ein großer Gestaltungsspielraum zu einem weiten Schutzumfang und ein kleiner Gestaltungsspielraum zu einem engen Schutzumfang führt (vgl. BGH GRUR 2011, 142 – Untersetzer, Rn. 17). Der Grad der Gestaltungsfreiheit hängt dabei zum einen davon ab, welche Grenzen der Verwendungszweck des in Rede stehenden Erzeugnisses dem Gestalter auferlegt (vgl. Senat GRUR 2015, 890 – Möbelgriff, Rn. 41 m.w.N.; BGH a.a.O. – Untersetzer, Rn. 19; GRUR-RR 2012, 277 – Milla, Rn. 21, 22; GRUR 2013, 285 – Kinderwagen II, Rn. 45). Zum andern kann der Grad der Gestaltungsfreiheit auch durch eine („qualitative“) Musterdichte, d.h. dadurch eingeengt sein, dass die vorbekannten Muster auf dem betreffenden Warengebiet – über eine bloße („quantitative“) Mustervielfalt hinaus (vgl. dazu BGH a.a.O. – Milla, Rn. 22) – untereinander nur noch einen geringen Abstand halten (vgl. Senat a.a.O. – Möbelgriff, Rn. 42 m.w.N.).

Diese Grundsätze zur Bestimmung des Grades der Gestaltungsfreiheit bleiben auch nach der Entscheidung „Duschabflussrinne“ des Gerichtshofs der Europäischen Union (GRUR 2017, 1244) anwendbar. Nach dieser Entscheidung ist zwar zur Beurteilung der Schutzfähigkeit eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters nicht allein der vorbekannte Formenschatz derjenigen Erzeugnisse heranzuziehen, die gemäß Art. 36 II GGV in der Anmeldung angegeben worden sind; vielmehr ist auch der vorbenannte Formenschatz anderer Erzeugnisse zu berücksichtigen. Daraus folgt jedoch nicht, die Produktkategorie, der das eingetragene Muster nach der Erzeugnisangabe angehört, auf den Grad der Gestaltungsfreiheit keinen Einfluss habe (so allerdings Hartwig GRUR 2017, 1212 Fn. 17). Der Grad der Gestaltungsfreiheit, den der Entwerfer bei der Entwicklung des Klagemusters hatte, ist das maßgebliche Kriterium, mit dem einerseits die Anforderungen an die Eigenart (Art. 6 II GGV) und andererseits der Schutzumfang (Art. 10 II GGV) bestimmt wird. Es ist nicht ersichtlich, wovon der Grad der Gestaltungsfreiheit abhängen sollte, wenn nicht von den jeweiligen Besonderheiten der in Rede stehenden Produktkategorie. Daher würde eine produktübergreifende Betrachtung dazu führen, dass der Grad der Gestaltungsfreiheit stets derselbe wäre. Dass der EUGH beabsichtigt hätte, das Tatbestandsmerkmal des Grades der Gestaltungsfreiheit in dieser Weise völlig zu entwerten, kann der genannten Entscheidung nicht entnommen werden.

Darüber hinaus wird der Schutzumfang eines Designs bzw. Geschmacksmusters nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH a.aO. – Kinderwagen II, Rn. 32) auch durch den Abstand des Klagemusters vom vorbekannten Formenschatz, also dadurch bestimmt, wie der Gestalter den ihm zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum tatsächlich genutzt hat. Demnach kann sich der Schutzumfang erweitern, wenn das Klagemuster vom vorbenannten Formenschatz einen größeren Abstand hält, als es zur Begründung der Eigenart erforderlich wäre (vgl. Senat WRP 2015, 238, Rn. 3).

bb)
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall verfügt das Klagemuster nach dem Sach- und Streitstand über einen überdurchschnittlichen Schutzumfang.

Auf dem Gebiet der Küchenmesser der in Rede stehenden Art ist von einem mittleren Grad an Gestaltungsfreiheit auszugehen. Der Verwendungszweck derartiger Messer erfordert zwar, dass Klinge und Griff hintereinander angeordnet sind und jeweils eine im Wesentlichen längliche Form haben. Die konkrete Ausgestaltung insbesondere des Griffs lässt jedoch auch unter Beachtung der ergonomischen Anforderungen einen gewissen Spielraum zu. Es kann auch mangels entsprechenden Sachvortrags der Parteien nicht angenommen werden, dass auf dem Gebiet der Küchenmesser infolge einer besonders hohen Musterdichte der Gestaltungsspielraum zusätzlich eingeschränkt.

Der für den Schutzumfang des Klagemusters ebenfalls zu berücksichtigende Abstand vom vorbenannten Formenschatz muss allerdings als weit angesehen werden. Die Klägerin hat vorgetragen, ihr Muster habe sich völlig von vorbenannten Formen gelöst. Ein weitergehender Sachvortrag kann von einem Kläger, der sich zur Inanspruchnahme eines erweiterten Schutzbereichs seines Musters infolge erheblichen Abstands vom vorbekannten Formenschatz berufen will, zunächst nicht verlangt werden. Vielmehr ist es in diesem Fall Sache des Beklagten, denjenigen vorbenannten Formenstand vorzutragen, der dem Klagemuster nach seiner Auffassung am nächsten kommt. Unterlässt er dies, ist grundsätzlich von einem erweiterten Schutzumfang des Klagemusters auszugehen (vgl. Senat GRUR-RR 2011, 66, Rn. 6; ebenso OLG Düsseldorf, Urt. V. 21.10.2010 – I-20 U 154/08, juris-Rn. 7; Eichmann/v. Falkenstein/Kühne, DesignG, 5. Aufl., Rn. 34 zu § 38). Hier hat die Beklagte auch nach einem entsprechenden Hinweis des Senats vom 23.3.2018 (Bl. 179 d.A.) keinen Vortrag zum vorbenannten Formenschatz gehalten.

Insgesamt ist der Schutzumfang des Klagemusters daher als überdurchschnittlich einzustufen.

cc)
Ausgehend von diesem überdurchschnittlichen Schutzumfang ruft das angegriffene Messer der Beklagten beim informierten Benutzer keinen abweichenden Gesamteindruck hervor.

Bei der Prüfung, ob eine angegriffene Ausführungsform in den Schutzumfang des Klagemusters fällt, ist eine Gewichtung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Produkte vorzunehmen (vgl. hierzu BGH a.a.O. – Kinderwagen II, Rn. 60 ff.). In diesem Rahmen kann es es zu einer Übergewichtung bestimmter Merkmale kommen, während andere Merkmale durch den informierten Besitzer eher untergewichtet werden. So werden Merkmale, die aus dem Formenschatz bekannt sind, geringer zu gewichten sein, weil der Benutzer diese Merkmale kennt und weil die Ausweichmöglichkeiten des angeblichen Verletzer eingeschränkt sind, wenn er sich im Rahmen des Üblichen halten will. Zudem kann für eine Untergewichtung sprechen, dass der informierte Benutzer erkennt, dass das Merkmal nicht primär gestalterischen, sondern technischen Zwecken dient; etwas anderes gilt nur dann, wenn das technische Merkmal in einer nicht routinemäßigen Weise gestaltet worden ist, so dass der Benutzer erkennt, dass das Merkmal auch eine gestalterische Funktion erfüllt. Merkmale, die hingegen einen besonderen Abstand zum Formenschatz aufweisen, sind überzugewichten, da der informierte Benutzer solche Merkmale, die ihm aus dem Formenschatz nicht bekannt sind, besonders beachten wird.

Im vorliegenden Fall wird der informierte Benutzer die Klinge gegenüber dem Griff deutlich untergewichten. Das Material und die Grundform der Klinge dienen technischen Zwecken. Dem informierten Benutzer ist zudem bekannt, dass es verschiedene Klingenarten gibt, die jeweils dem Benutzungszweck des Messers folgen und daher technisch indiziert sind (Küchenmesser, Spickmesser, Brotmesser, Japanisches Messer), die jedoch eine einheitliche Griffform aufweisen, da gerade durch die Griffe sich die Hersteller voneinander abheben können. Aus diesem Grund wird er die Gestaltung des Griffs daher deutlich übergewichten. Er wird insbesondere wahrnehmen, dass sich die Ausgestaltung des Griffs vom rein funktionalen auch dadurch entfernt, dass die dreidimensionale Ausgestaltung mit einem weniger an Bequemlichkeit und Griffigkeit einhergeht.

Das Argument des Landgerichts, der Verkehr könne bei der Benutzung den Griff gar nicht wahrnehmen, trägt insoweit nicht. Dem informierten Benutzer ist eine durchschnittliche Aufmerksamkeit, aber eine besondere Wachsamkeit eigen, sei es wegen seiner persönlichen Erfahrung oder seiner umfangreichen Kenntnisse in dem betreffenden Bereich. (EuGH, GRUR 2012, 506, 508 – PepsiCo). Er nimmt keinen Erinnerungsvergleich, sondern einen direkten Vergleich vor. Dies schließt aus, dass der informierte Benutzer die Muster nur bei der bestimmungsgemäßen Verwendung vergleicht; er nimmt vielmehr einen „abstrakten“ Vergleich vor. Der informierte Benutzer bezieht darüber hinaus auch die Vorgehensweise von Designern in seine Analyse ein. Es gehört zum strategischen Repertoire von Designern, mit Besonderheiten von Gestaltungsdetails das Interesse zu wecken oder Einfluss auf die Auswahlentscheidung zu nehmen, obwohl diese Details später beim bestimmungsgemäßen Gebrauch weniger zur Geltung kommen (Eichmann/von Falckenstein/Kühne, DesignG, 5. Aufl., § 2, Rnr. 22).

Vor diesem Hintergrund wird der informierte Benutzer erkennen, dass die konkrete Struktur des Griffes zwar nicht identisch ist, jedoch die hervortretenden Kanten auf beiden Seiten des Messergriffs und die Unterteilung beider Seiten des Messergriffs in verschiedene geometrische Teilflächen sowohl im Klagemuster als auch in der angegriffenen Ausführungsform enthalten sind und das Gesamtdesign ganz erheblich prägen. Zwar weisen die sich gegenüberstehenden Messer weitere Unterschiede auf. Insbesondere ist anders als bei der angegriffenen Ausführungsform die Griffoberseite beim Klagemuster über eine gewisse Breite flach ausgeführt und lässt die im Griff fortgeführte metallische Klinge erkennen. auch der Übergang zwischen Klinge und Griff ist beim Klagemuster – bedingt durch die Klingenbreite – anders ausgestaltet als beim Messer der Beklagten. Angesichts des überdurchschnittlichen Schutzumfangs des Klagemusters, reichen diese Unterschiede jedoch nicht aus, um beim informierten Benutzer ungeachtet der dargestellten Übereinstimmungen in den für den Gesamteindruck wesentlichen Merkmalen einen abweichenden Gesamteindruck hervorzurufen.

Dies führt auch nicht zu einem unzulässigen Elementeschutz. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2012, 1139, 1141 [BGH 08.03.2012 – I ZR 124/10], Rnr. 36 ff. – Weinkaraffe) ist zwar der Schutz einzelner Elemente eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters ausgeschlossen. Dies schließt jedoch nicht aus, im Rahmen der Verletzungsprüfung einzelne Teil des Musters unter- und andere überzugewichten.

3.
Soweit die Beklagte im Hinblick auf die „C“-Kollektion der Beklagten (Anlagen B 1 und B 2) eine Doppelschöpfung einwendet, stünde diese schon grundsätzlich einem Unterlassungsanspruch nicht entgegen.

Unabhängige Entwurfstätigkeit kann identische oder ähnliche Designs zum Ergebnis haben, obwohl zwischen den Entwerfern keine Verbindung bestanden hat. Bei kollidierenden Designschutzrechten richtet sich die Berechtigung danach, wer zuerst die rechtsbegründenden Maßnahmen vorgenommen hat. Das gilt auch bei Parallelschöpfungen, also auch dann, wenn dem Entwerfer des späteren Musters das ältere Muster unbekannt war bzw. nicht hätte bekannt sein können (zum deutschen Recht: Eichmann/v. Falckenstein/Kühne a.a.O. § 7 Rnr. 7-13) Der daraus resultierende Grundsatz des Zeitrangs hat für eingetragene Designs zur Folge, dass der Anmeldetag, § 13 I, ggf. der Prioritätstag, § 13 II, maßgeblich ist. Die Maßgeblichkeit des Zeitrangs stimmt mit den Regelungen für Patente, § 6 S 3 PatG, und für Marken, § 6 II MarkenG, überein.

Soweit sich zum Grundsatz des Zeitrangs Einschränkungen z.B. durch Vorbenutzungsrechte (Art. 22 GGV) ergeben können, hat die Beklagte hierzu nichts vorgetragen. Der Vortrag beschränkt sich darauf, dass über die Jahre die „C“-Produktserie entwickelt worden sei. Aus deren Grundkonzept des rustikalen, „maskulinen, kantig und grob wirkenden Erscheinungsbildes“ sei dann später auch das Messer entwickelt worden. Dies ist für die Darlegung eines Vorbenutzungsrechtes nicht ausreichend.

4.
In der Folge haftet die Beklagte nach Art. 19 I GGV auf Unterlassung, wobei nach Art. 83 I GGV der Senat als Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht einen gemeinschaftsweiten Unterlassungsanspruch tenorieren kann, da eine Zuständigkeit nach § 82 I GGV begründet ist.

Bei der Fassung des Unterlassungstenors (I 1 a) hat der Senat das letzte der im Klageantrag enthaltenen Merkmale („schräg angeschnittene Gestaltung des Messerkropfes und der Kante des Messergriffs“) nicht in den Verbotsausspruch aufgenommen, da die angegriffene Ausführungsform dieses Merkmal nicht (vollständig) enthält. Eine Teilzurückweisung oder inhaltliche Änderung gegenüber dem Klageantrag war damit jedoch nicht verbunden, nachdem der Klägervertreter klargestellt hat, dass mit dem Klageantrag die in Bezug genommene konkrete Verletzungsform angegriffen werden soll und die weiter beigefügte Beschreibung lediglich der Erläuterung dieser Verletzungsform dient. Unter diesen Umständen sind die in der Beschreibung aufgezählten Merkmale für den Verbotsumfang nicht von entscheidender Bedeutung.

5.
Die Ansprüche auf Vernichtung, Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatzverpflichtung finden ihre Grundlage in Art. 89 I lit. d GGV, §§ 46 I, 42 II DesignG.

Auf diese durch ihre Bezugnahme auf Antrag 1.) auch gemeinschaftsweit geltend gemachten Ansprüche ist deutsches Recht anwendbar. Zwar verweist Art. 89 I d GGV i.V.m. Art. 8 (2) Rom II-VO für die Folgeansprüche auf das Recht des Mitgliedstaates, in dem die Verletzungshandlung begangen worden ist. Dies hat aber nicht zur Folge, dass insoweit das materiell anwendbare Recht vom Senat für jeden Mitgliedstaat getrennt angewendet werden müsste. Bei der Verletzung unionsweiter Schutzrechte richtet sich die Bestimmung des auf Folgeansprüche wie Auskunft und Schadensersatz anwendbaren Rechts nach Art. 8 II Rom-II-VO. In der Entscheidung „Nintendo/BigBen“ (GRUR 2017, 1120 [OLG Hamm 13.06.2017 – 4 U 72/16]) hat der EuGH nunmehr klargestellt, unter dem Begriff des „Staates …, in dem die Verletzung begangen wurde“ im Sinne dieser Vorschrift der Staat zu verstehen ist, in dem das schadensbegründende Ereignis eingetreten ist. Dabei sei in Fällen, in denen demselben Beklagten in verschiedenen Mitgliedstaaten begangene Verletzungshandlungen vorgeworfen werden, bei der Ermittlung dieses schadensbegründenden Ereignisses nicht auf jede einzelne ihm vorgeworfene Verletzungshandlung abzustellen, sondern vielmehr eine Gesamtwürdigung seines Verhaltens vorzunehmen, um den Ort zu bestimmen, an dem die ursprüngliche Verletzungshandlung, auf die das vorgeworfene Verhalten zurückgeht, begangen worden ist oder droht. Für den Fall, dass über eine Website rechtsverletzende Waren in mehrere Mitgliedstaaten vertrieben werden, ist der EuGH dabei davon ausgegangen, dass das schadensbegründende Ereignis in der Veröffentlichung des Angebots auf der Website liegt. Der Ort des schadensbegründenden Ereignisses sei mithin der Ort, an dem der Prozess der Veröffentlichung dieses Angebots durch den Verletzer auf seiner Website in Gang gesetzt worden ist. Danach ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, um den Ort des ursächlichen Geschehens zu bestimmen – d.h., den Ort, an dem sich die Verletzungshandlung, durch die das vorgeworfene Verhalten in seiner Gesamtheit in Gang gesetzt wurde, erstmalig materialisiert. Für Verletzungen im Internet bedeutet dies, dass das Recht des Landes maßgeblich ist, von dem aus das Verkaufsangebot bzw. die beanstandete Werbung kommuniziert werden. Danach ergibt sich die Anwendbarkeit deutschen Rechts, da das streitgegenständliche Angebot auf einer deutschsprachigen Internetseite vom Sitz der Beklagten in Deutschland aus erstellt wurde und damit dort die Verletzungshandlung in Gang gesetzt wurde.

Das für den Schadensersatzanspruch notwendige Verschulden liegt auch vor, da die Beklagte jedenfalls fahrlässig gehandelt hat. Fahrlässigkeit ist Handeln unter Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, § 276 I 2 BGB. Der Sorgfaltspflicht liegt eine Prüfungsobliegenheit zugrunde. Der Verletzer handelt daher sorgfaltswidrig, wenn er das eingetragene Design nicht gekannt hat. Es genügt, wenn eine sorgfältige Prüfung der Schutzfähigkeit unterblieben ist (BGH GRUR 58, 509, 511 – Schlafzimmermodell) oder wenn der Verletzer kein älteres Design vorweisen kann, das dem verletzten Design im gestalterischen Eindruck ähnlich ist. Deshalb kann hier dahinstehen, ob tatsächlich das von der Beklagten angebotene Messer aus der Modellreihe für Küchenzubehör „C“ heraus entwickelt wurde, da jedenfalls nicht vorgetragen worden ist, dass eine entsprechende Recherche durch die Beklagte durchgeführt worden ist.

6.
Zudem kann die Klägerin die Erstattung von Rechtsanwaltskosten für das Abmahnschreiben (Art. 88 II und III GGV, §§ 677, 683, 670 BGB) auf Grundlage eines Gegenstandswertes von 250.000 € verlangen,

Dieser Anspruch besteht allerdings nur in Höhe einer 1,3 Gebühr, da die Klägerin Gründe für eine Festsetzung auf 1,5 nicht dargelegt hat. Zwar steht dem Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 RVG bei Rahmengebühren wie der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG ein Ermessensspielraum zu, so dass, solange sich die vom Rechtsanwalt im Einzelfall bestimmte Gebühr innerhalb einer Toleranzgrenze von 20% bewegt, die Gebühr nicht unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG und daher von einem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen ist. Eine Erhöhung der Schwellengebühr von 1,3, die die Regelgebühr für durchschnittliche Fälle darstellt, auf eine 1,5-fache Gebühr ist aber nicht der gerichtlichen Überprüfung hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Überschreitung der Regelgebühr von 1,3 entzogen. Andernfalls könnte der Rechtsanwalt für durchschnittliche Sachen, die nur die Regelgebühr von 1,3 rechtfertigen, ohne weiteres eine 1,5-fache Gebühr verlangen. Dies verstieße gegen den Wortlaut und auch gegen den Sinn und Zweck des gesetzlichen Gebührentatbestandes in Nr. 2300 VV-RVG, der eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr hinaus nicht in das Ermessen des Rechtsanwalts stellt, sondern bestimmt, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn seine außergerichtliche Tätigkeit umfangreich oder schwierig und damit überdurchschnittlich war (vgl. BGH NJW 2012, 2813 – Rnr. 11; BGH NJW 2013, 169 [BGH 18.10.2012 – III ZR 197/11]).

Hier sind die Abmahnkosten nur in Höhe der Mittelgebühr von 1,3 zu ersetzen, da die der Abmahnung zugrunde liegende Designstreitsache als nach Umfang und Schwierigkeit durchschnittlich einzustufen ist. Konkrete Anhaltspunkte, die eine abweichende Einordnung rechtfertigen könnten, hat die Klägerin nicht dargetan. Eine Überschreitung der Regelgebühr lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass Designstreitsachen von vornherein überdurchschnittlich schwierig seien; Gebrauchsmuster- oder Gemeinschaftsgeschmacksmusterschutzsachen können nicht allein wegen ihres Gegenstands pauschal als überdurchschnittlich umfangreich oder schwierig bewertet werden. Dies gilt insbesondere, wenn weder die Schutzfähigkeit in Ansehung des Stands der Technik bzw. vorbekannter Gestaltungen zu beurteilen ist noch im Zusammenhang mit der geltend gemachten Verletzung aufwendige oder komplexe Prüfungen erforderlich sind (BGH GRUR 2014, 206 [BGH 13.11.2013 – X ZR 171/12], , Rnr. 24 – Einkaufskühltasche; vgl. hierzu bereits Senat, Urteil vom 4.5.2010 – 6 U 189/09 m. w. N.). In diesem Zusammenhang kann insbesondere nicht darauf verwiesen werden, dass nach § 52 IV DesignG im gerichtlichen Verfahren die Kosten des mitwirkenden Patentanwalts stets erstattungsfähig sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur parallelen Regelung im Patentrecht (vgl. zuletzt GRUR 2012, 759 – Kosten des Patentanwalts IV) gilt diese Vorschrift für die vorgerichtliche Abmahnung nämlich nicht, weshalb dort Patentanwaltskosten nur dann erstattungsfähig sind, wenn der Patentanwalt Aufgaben übernommen hat, die – wie etwa Recherchen zum Registerstand oder zur Benutzungslage – zum typischen Arbeitsgebiet eines Patentanwalts gehören. Unter diesen Umständen könnte die Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Zusammenhang mit einer kennzeichenrechtlichen Abmahnung daher möglicherweise als überdurchschnittlich schwierig oder umfangreich im Sinne von Nr. 2300 KV-RVG angesehen werden, wenn der Anwalt auch solche patentanwaltstypischen Aufgaben übernommen hätte (Senat Urt. v. 8.11.2012 – 6 U 208/11, BeckRS 2012, 24218). Auch hierzu ist nichts vorgetragen.

Die Beklagte schuldet daher einen Ersatz der Abmahnkosten nur in Höhe einer 1,3 Gebühr aus 250.000,00 €; dies führt zu einem Nettobetrag in Höhe von 2.948,90 €. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 I 2 BGB. Die weitergehende Berufung war zurückzuweisen.

7.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 II ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 II ZPO) sind nicht erfüllt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf der eigenen Streitwertangabe in der Abmahnung vom 4.9.2015 (Anlage K 17), der in der Regel indizielle Bedeutung für das mit der Rechtsverfolgung verbundene wirtschaftliche Interesse des Klägers zukommt (vgl. Senat WRP 2017, 719 m.w.N.). Ausreichende Gründe dafür, dass nach der Abmahnung Umstände eingetreten oder der Klägerin bekannt geworden sind, die zu einer Neubewertung dieses Interesses führen könnten, hat die Klägerin nicht dargetan.

Vorinstanz:
LG Frankfurt a.M., Az. 3-8 O 70/16