LG Hamburg: Zur Geschmacksmusterverletzung durch Nachbildung eines Felgendesigns

veröffentlicht am 14. Dezember 2015

LG Hamburg, Urteil vom 18.09.2015, Az. 308 O 143/14
Art. 81 EGV 6/2002, Art. 82 EGV 6/2006, Art. 110 EGV 6/2006

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Landgericht Hamburg

Urteil

1.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen am jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen,

das nachstehend abgebildete Felgendesign in Deutschland zu benutzen, insbesondere dieses anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen:

[Abb.]

2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu erstatten, der dieser durch deren Handlungen gemäß Ziffer 1. entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

3.
Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß Ziffer 1. durch Vorlage eines Verzeichnisses, das Angaben zu enthalten hat über

a) Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreise und gewerbliche Abnehmer sowie den erzielten Umsatz;

b) Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreise und Angebotsempfänger;

c) die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und den erzielten Gewinn;

d) die betriebene Werbung, insbesondere unter Angabe der Werbemedien, der Auflagenhöhe von Werbeprospekten und der für die Werbung aufgewandten Kosten.

4.
Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über Herkunft und Vertriebsweg der Verletzungsgegenstände gemäß Ziffer 1. durch Vorlage eines Verzeichnisses, das Angaben zu enthalten hat über Namen und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Verletzungsgegenstände gemäß Ziffer 1., sowie über die Menge der erhaltenen und bestellten Verletzungsgegenstände gemäß Ziffer 1.

5.
Die Beklagte wird verurteilt, im Umfang der vorstehenden Auskunft gemäß Ziffern 3. und 4. Belege herauszugeben (insbesondere die jeweiligen Einkaufs- und Verkaufsbelege sowie Rechnungen und Lieferscheine, wobei Angaben über sonstige Ein- und Verkäufe sowie sonstige Preise auf den Belegen geschwärzt werden können).

6.
Die Beklagte wird verurteilt, die in ihrem Besitz oder Eigentum stehenden Räder gemäß Ziffer 1. zur Vernichtung an einen hierzu bereiten Träger hoheitlicher Gewalt herauszugeben.

7.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

8.
Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar, wie folgt:

– zu Ziffer 1. gegen Sicherheitsleistung i.H.v. € 100.000
– zu Ziffer 3. und 4. jeweils gegen Sicherheitsleistung i.H.v. € 2.000
– zu Ziffer 5. gegen Sicherheitsleistung i.H.v. € 500
– zu Ziffer 6. gegen Sicherheitsleistung i.H.v. € 25.000.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Verletzung eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters auf Unterlassung in Anspruch. Sie macht außerdem Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung und Belegherausgabe geltend, begehrt Schadensersatzfeststellung sowie Herausgabe von Mustern zum Zwecke der Vernichtung.

Die Klägerin ist eine deutsche Automobilherstellerin. Sie ist Inhaberin des am 20.05.2009 angemeldeten Gemeinschaftsgeschmacksmusters Nr. 0….3 für ein Leichtmetallrad-Design mit folgenden Abbildungen:

Auf Anlage K 3 wird verwiesen.

Ihr nach diesem Geschmacksmuster gefertigtes Felgenmodell vertreibt die Klägerin unter der Bezeichnung „S..“. Sie bietet diese Felge – nach ihrem eigenen, von der Beklagten bestrittenen Vortrag – ausschließlich in den Größen 10 x 20 Zoll, ET (= Einpresstiefe) 40, und 11 x 20 Zoll, ET 37, an.

Die Beklagte ist ein italienisches Unternehmen mit Sitz in N.. Sie stellt Kfz-Felgen her und vertreibt sie unter der Marke „W..“. Dafür nutzt sie u.a. die Webseite www. w..com. Die Webseite ist auch in Deutschland, und zwar in deutscher Sprache, abrufbar (vgl. Anlage K 16). Auf der Seite präsentiert die Beklagte u.a. ein Leichtmetallrad mit der Bezeichnung „A..“, wie folgt:

Auf Anlage K 4 wird verwiesen. Bei diesem Modell handelt es sich um eine Nachbildung der von der Klägerin als „S..“ vertriebenen Felge.

Die Beklagte vertreibt dieses Modell auch im Satz von vier Felgen. So erwarb die Klägerin am 28.02.2013 über einen Testkäufer bei Frau P. K. (handelnd unter „K.-C.-T.“), einer ehemaligen Vertragspartnerin der Beklagten, einen Satz von vier „A..“-Felgen in der Größe 8,5 x 19 Zoll, ET 46, für die Vorderachse und in der Größe 9 x 19 Zoll, ET 48, für die Hinterachse für einen BMX X3 x Drive 20d (s. Anlagen K 5; K 6; K 48). Die Felgen wurden durch die Beklagte direkt an den Testkäufer, Herrn U. Ö., in H. geliefert (vgl. Anlage K 7). Die Beklagte verfügt für das Produkt „A..“ in den gelieferten Dimensionierungen über eine Typengenehmigung – sog. Homologation – der „United Kingdom Vehicle Approval Authority“ (s. Anlagen B 25; B 26).

Zwischen den Parteien sind bzw. waren weitere Gerichtsverfahren anhängig:

Die Beklagte reichte beim Tribunale di Napoli eine negative Feststellungsklage ein, mit der u. a. die Feststellung der Nichtverletzung des hiesigen Klagegeschmacksmusters durch ein Handeln der Beklagten begehrt wurde. Auf Anlage K 8 wird verwiesen. Diese Klage wurde der hiesigen Klägerin am 15.02.2013 übermittelt. Die hiesige Klägerin verweigerte am 21.02.2013 die Annahme der Klageschrift und sandte die übermittelten Schriftstücke an die hiesige Beklagte zurück. Das Verfahren ist noch anhängig. Das Tribunale di Napoli hatte sich zuvor bereits am 09.07.2012 für eine von der Beklagten eingereichte negative Feststellungsklage gegen die Dr. Ing. h.c. F. P.. AG nach den Vorschriften der GGV für unzuständig erklärt und die Klage ohne Entscheidung in der Sache abgewiesen (vgl. Anlage K 9).

Am 22.10.2013 wies das Berufungsgericht in Neapel zweitinstanzlich eine Klage der (hiesigen wie dortigen) Klägerin gegen die Beklagte wegen Verletzung anderer eingetragener Designrechte für Felgen ab. Auf Anlagen B 2 und B 57 wird verwiesen.

Die Klägerin macht im vorliegenden Verfahren geltend:

Das Landgericht Hamburg sei international und örtlich für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig. Das folge aus der Direktlieferung der Beklagten nach Hamburg.

Die von der Beklagten in Italien erhobene negative Feststellungsklage (Anlage K 8) entfalte keine Sperrwirkung für das vorliegende Verfahren. Die Klage sei der hiesigen Klägerin bereits nicht ordnungsgemäß zugestellt worden; dieser Mangel sei bis heute auch nicht behoben worden. Die Klage sei daher schon nicht prioritär i.S.v. Art. 27 Abs. 1 EuGVVO (a.F.). Es fehle sodann an einer territorialen Überschneidung in Bezug auf die Streitgegenstände, da die italienische Klage auf das Hoheitsgebiet von Italien beschränkt sei. Auch deshalb sei Art. 27 EuGVVO nicht einschlägig. Jedenfalls sei die Berufung der Beklagten auf Art. 27 EuGVVO rechtsmissbräuchlich. Die Beklagte habe die negative Feststellungsklage ersichtlich allein mit dem Ziel erhoben, Verletzungsverfahren der Klägerin zu torpedieren. Dabei wisse die Beklagte aus dem vorangegangenen Verfahren gegen den deutschen Automobilhersteller P.. (Anlage K 9), dass sich das angerufene Gericht für nicht zuständig erklären werde. Sie wolle aber den bis zu dieser Entscheidung vergehenden Zeitraum für die – zeitlich ganz erhebliche – Verzögerung weiterer Verbietungsverfahren wie des vorliegenden und damit für den Vertrieb verletzender Muster nutzen. Das vorliegende Verfahren sei darüber hinaus weder nach Art. 95 Abs. 1 GGV noch nach Art. 28 EuGVVO auszusetzen. Schließlich sei eine Verfahrensaussetzung auch nicht nach § 148 ZPO geboten: Weder sei die Sache dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchen vorzulegen, noch sei der Ausgang eines derzeit zwischen anderen Parteien beim BGH anhängigen Rechtsstreits abzuwarten.

Die von der Beklagten angebotenen Leichtmetallräder verletzten die Rechte der Klägerin aus dem eingetragenen Geschmacksmuster. Art. 110 GGV, mit dem die Beklagte sich verteidige, sei nicht einschlägig. Die Norm sei restriktiv auszulegen. Felgen seien keine „must-match“-Teile i.S.v. Art. 110 GGV, sondern frei austauschbar. Es handele sich um klassisches Zubehör.

Auf Art. 110 GGV könne die Beklagte sich zudem nicht berufen, weil sie Felgen überwiegend als 4er-Satz vertreibe und unmittelbar an Kunden ausliefere, weil sie ihre Felgen weiter in Größen vertreibe, die die Klägerin überhaupt nicht anbiete und weil sie ihre Felgen schließlich – wie im Falle des Testkaufs – für Fahrzeuge anbiete, für welche die Klägerin die Originalfelge nie angeboten habe. Dies belege, dass es der Beklagten gar nicht um Reparaturzwecke gehe. Die von der Beklagten vorgetragenen Maßnahmen zur angeblichen Sicherstellung des Reparaturzwecks seien denn auch evident unzureichend und dienten allein der Kaschierung des wahren Vertriebszwecks.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte rügt die internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg. Auf Art. 82 Abs. 5 GGV; § 32 ZPO könne die Klägerin sich nicht berufen. Sie betreibe insoweit ein unzulässiges „forum-shopping“.

Das vorliegende Verfahren sei auszusetzen. Die negative Feststellungsklage in Italien (Anlage K 8) begründe anderweitige Rechtshängigkeit i.S.v. Art. 27 Abs. 1 EuGVVO (a.F.). Diese Klage sei prioritär zum hiesigen Verfahren. Die Klage sei wirksam zugestellt worden. In der Sache gehe es um identische Ansprüche. Die negative Feststellungsklage sei territorial nicht auf Italien beschränkt; unabhängig davon, dass eine „territoriale Überschneidung“ kein Tatbestandsmerkmal des Art. 27 EuGVVO sei, würde es auch dem Tribunale di Napoli obliegen, über diese Frage zu entscheiden. Die negative Feststellungsklage sei auch nicht rechtsmissbräuchlich erhoben worden, sondern mit dem legitimen Zweck, die für die Beklagte bestehende Rechtsunsicherheit einer umfassenden, in einem Gerichtsstand konzentrierten Klärung zuzuführen.

Auch nach Art. 27 Abs. 2 EuGVVO müsse das angerufene Gericht aussetzen mit Rücksicht auf die bereits ergangene Entscheidung des Berufungsgerichts in Neapel (Anlage B 2; B 57). Auszusetzen sei weiter nach Art. 28 EuGVO zur Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen sowie gemäß § 148 ZPO angesichts eines derzeit beim Bundesgerichtshof anhängigen Parallelverfahrens mit der Dr. Ing. h.c. F. P.. AG (vgl. Anlage B 60).

Gemäß Art. 95 Abs. 1 GGV müsse sich das angerufene Gericht für unzuständig erklären, jedenfalls aber müsse es die Klage analog Art. 95 Abs. 2 GGV zwingend abweisen.

In der Sache macht die Beklagte geltend, das beanstandete Verhalten verletze nicht die Rechte der Klägerin aus ihrem Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Die Beklagte könne sich auf die Privilegierung des Art. 110 GGV berufen. Felgen seien Bauelemente des komplexen Erzeugnisses KFZ und unter die Reparaturklausel zu subsumieren. Art. 110 GGV sei insbesondere im Lichte der Regeln über den freien Warenverkehr (Art. 28-37 AEUV), der Kfz-GVO (VO (EU) Nr. 1400/2002) und in Ansehung der Designrichtlinie 98/71/EG weit auszulegen. Intention der Norm sei eine Liberalisierung des Ersatzteilmarktes. Das Liberalisierungsziel sei über den sog. effet utile als grundlegenden Auslegungsmaßstab im Gemeinschaftsrecht zur Geltung zu bringen. Für die Auslegung von Art. 110 GGV im Sinne der Beklagten streite auch die Regelung Nr. 124 UN/ECE, die für die Absicht des Gesetzgebers spreche, die Existenz unabhängiger Ersatzteile zu fördern. Zur Klärung der Auslegungsfrage sei der EuGH gemäß Art. 267 AEUV anzurufen.

Sie, die Beklagte, vertreibe die Felgen zu Reparaturzwecken. Sie liefere immer nur an Gewerbetreibende, insbes. Reparaturbetriebe und Händler, nie an Endkunden. Dabei stelle die Beklagte sicher, dass die Felgen nur zu Reparaturzwecken zum Einsatz kämen. Der Vortrag der Klägerin, die Beklagte vertreibe Felgen in Größen und Einpresstiefen, die die Klägerin gar nicht anbiete, sei unzutreffend (vgl. Anlage B 29). Die Beklagte orientiere sich insoweit – gezwungenermaßen – an technischen Daten, wie sie sich aus der „Datenbank der Schweizer Eidgenossenschaft“ ergäben (vgl. etwa Anlage B 73), wo sie von der Klägerin selbst eingestellt würden. Die Beklagte verfüge für ihre Produkte i.Ü. über Homologationen, die nur erteilt würden bei Übereinstimmung von Ersatzteil und Original. Soweit die Klägerin auf den Vertrieb von Felgensätzen abhebe, sei auch dies mit Art. 110 GGV in Einklang zu bringen. Es liege im Falle einer Beschädigung insbesondere nahe, dass sich Kunden angesichts des erheblichen Preisgefälles gleich mit einem vollständigen Satz Felgen bevorrateten.

Die Klage sei rechtsmissbräuchlich, da die Klägerin zuvor über den Verband der Automobilindustrie verbindlich zugesichert habe, ihre Schutzrechte nicht geltend machen, um Wettbewerb im Ersatzteilhandel zu beeinträchtigen (Anlage B 37 und B 40).

Indem sich die Klägerin auf ihr Gemeinschaftsgeschmacksmuster berufe, missbrauche sie schließlich eine marktbeherrschende Stellung i.S.v. Art. 102 AEUV (vgl. EuGH GRUR Int. 1990, 141 – Volvo/Veng; GRUR Int. 1990, 140 – CICRA/Renault). Sie verhindere einen Markt von optisch identischen Nachrüsträdern.

Ergänzend wird verwiesen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.06.2015.

Entscheidungsgründe

A.
Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg.

I.
Die Klage ist zulässig.

Das Landgericht Hamburg ist für den Rechtsstreit international und örtlich zuständig.

1.
Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg ergibt sich aus Art. 82 Abs. 5; 81 lit. a); 79 GGV. Das Landgericht Hamburg ist zuständig, weil die Beklagte schlüssig eine in Hamburg begangene Schutzrechtsverletzung vorgetragen hat. Dabei ist unter dem Ort der begangenen Verletzung sowohl der Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort) als auch – wie hier – der Ort, an dem der Handlungserfolg eingetreten ist (Erfolgsort), zu verstehen. Die Beklagte hat hier unstreitig einen Satz Felgen des Verletzungsmusters „A..“ von Italien in den Gerichtsbezirk des Landgerichts Hamburg geliefert.

2.
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg folgt aus § 32 ZPO. Das Landgericht Hamburg ist als Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht zuständig.

3.
Die Klägerin nimmt den Gerichtsstand Hamburg nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise für sich in Anspruch.

Die Klägerin hat nach den gesetzlichen Vorschriften Wahlfreiheit zwischen den möglichen Gerichtsständen. Ein Missbrauch dieser Wahlfreiheit würde vorliegen, wenn die Klägerin mit der konkreten Art der Geltendmachung ihres Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgen würde und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erschienen (vgl. BGH GRUR 2000, 1089 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgungen; GRUR 2013, 307 – Unbedenkliche Mehrfachabmahnungen; Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., Rn 4.10). Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (BGH GRUR 2006, 243 Tz 16 – MEGA SALE; GRUR 2012, 286Tz 13 – Falsche Suchrubrik). Ein Indiz für einen Missbrauch kann sein, dass dem Anspruchsberechtigten schonendere Möglichkeiten der Anspruchsdurchsetzung zu Gebote stehen, er sie aber nicht nutzt (vgl. KG WRP 2008, 511).

Dass die Klägerin hier überwiegend sachfremde Interessen und Ziele verfolgen würde, ist nicht ersichtlich. Der Klägerin und nach ihrem Vortrag auch der Beklagten selbst ist, wie sich am Umfang und der Durchdringungstiefe der Schriftsätze auch ablesen lässt, an einer grundlegenden Klärung der Frage gelegen, ob der Vertrieb von Felgen, wie sie die Beklagte anbietet, von Art. 110 GGV privilegiert ist oder nicht. Die Beklagte hat mit ihren Handlungen das Klagegeschmacksmuster – wie die Klägerin geltend macht – in mehreren Ländern angegriffen. Dann kann der Klägerin als Rechteinhaberin nicht versagt werden, bei Gerichten in diesen verschiedenen Ländern Rechtsschutz nachzusuchen (so schon OLG Stuttgart zum Az. 2 U 46/14, GRUR 2015, 380 Tz 34). Es ist Teil der aus Sicht des erkennenden Gerichts nicht zu beanstandenden Verteidigungsstrategie der Klägerin in Bezug auf ihre Geschmacksmuster, Verletzungsverfahren an unterschiedlichen Gerichtsständen (auch) in Deutschland anhängig zu machen, um auf diese Weise die beanstandeten Handlungen der rechtlichen Beurteilung durch unterschiedliche Gerichte zu unterziehen. Dass die Klägerin den Streitwert mit € 400.000,– beziffert hat, gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Es ist Sache des Gerichts, unter Berücksichtigung des jeweiligen Angriffsfaktors den angemessenen Streitwert festzusetzen. Der Beklagten erwachsen durch die Bezifferung des Streitwertes keine Nachteile.

II.
Das Gericht ist unter Berücksichtigung der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen unmittelbar zur Sachentscheidung berufen und hat das Verfahren nicht auszusetzen.

1.
Das Gericht ist nicht durch die von der Beklagten in Italien erhobene negative Feststellungsklage nach Art. 27 EuGVVO (hier wie im Folgenden ohne weiteren Zusatz: a. F. = Stand bis 9.1.2015) – der hier gem. Art. 66 EuGVVO n.F. anwendbar ist – an einer unmittelbaren Entscheidung in der Sache gehindert.

Nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO setzt, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedsstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden, das später angerufene Gericht das bei ihm anhängige Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht.

a.
Dahinstehen kann, ob die negative Feststellungsklage der hiesigen Beklagten in Italien deswegen schon nicht zeitlich vorrangig i.S.v. Art. 27 EuGVVO war, weil sie der hiesigen Klägerin möglicherweise nicht wirksam zugestellt worden ist (vgl. dazu in einem Parallelverfahren LG Düsseldorf zum Az. 14c 183/13 – BeckRS 2015, 08356 – unter A. III. 1. a)).

b.
Es bedarf auch keiner näheren Auseinandersetzung mit der Frage, ob das vorliegende Klagverfahren deshalb nicht ausgesetzt werden muss, weil es an einer territorialen Überschneidung der Klagbegehren der negativen Feststellungsklage in Italien einerseits und der hiesigen Klage andererseits fehlen könnte, sowie mit der weiteren Frage, ob das erkennende Gericht befugt wäre, hierüber zu befinden (vgl. allg. BGH GRURInt 2012, 74 – zum Fall nationaler Geschmacksmuster; vgl. im Parallelverfahren LG Düsseldorf zum Az. 14c 183/13 unter A. I. 1. b)).

c.
Das hiesige Verfahren ist jedenfalls deshalb nicht nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO auszusetzen, weil es der Beklagten nach den Grundsätzen des Rechtsmissbrauchs verwehrt ist, sich auf Art. 27 EuGVVO a.F. zu berufen.

aa.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 27 EuGVVO sind vorliegend zwar gegeben. Die von der Beklagten in Italien anhängig gemachte negative Feststellungsklage und das vorliegende Verletzungsverfahren sind Klagen wegen „desselben Anspruchs“ im Sinne der Vorschrift. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis des Streitgegenstandes ist weiter als das nationale deutsche Verständnis. Ausreichend ist, dass beide Rechtsstreitigkeiten eine gemeinsame Grundlage in dem Sinne haben, dass der „Kernpunkt“ der Verfahren identisch ist. Das ist bei einer negativen Feststellungsklage und einem nachfolgenden Verletzungsverfahren umgekehrten Rubrums anerkanntermaßen der Fall (vgl. etwa EuGH NJW 1989, 665; BGH NJW 1995, 1758; Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., Art. 27 EuGVVO Rn 5 m.w.N.).

bb.
Art. 27 EuGVVO gibt jedoch im vorliegenden Einzelfall keinen Anlass, das Verfahren auszusetzen. Denn die Beklagten haben die tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 27 EuGVVO in rechtsmissbräuchlicher Weise geschaffen und berufen sich im vorliegenden Verfahren daher ohne Erfolg auf dessen Rechtswirkung.

(1)
Das Institut des Rechtsmissbrauchs ist auch im Unionsrechts anerkannt. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet (vgl. EuGH Rs. C-367/96 Rn 20 m.w.Nachw. – Kefalas; Rs. C-373/97 Rn 33 ff. – Diamantis, dort jeweils zu Fällen, in denen nationale Gerichte Bestimmungen des nationalen Rechts angewendet haben, um zu prüfen, ob ein sich aus einer Gemeinschaftsbestimmung ergebendes Recht missbräuchlich ausgeübt werde; s. außerdem EuGH Rs. C-352/13 Tz 29, BeckEuRS 2015, 432204,zur möglichen „Zweckentfremdung“ der Zuständigkeitsregelung in Art. 6 Nr. 1 EuGVVO).

(2)
Der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist vorliegend ungeachtet des Umstandes eröffnet, dass die Beklagte mit ihrem Hinweis auf Art. 27 EuGVVO nicht etwa ein subjektives Recht oder einen materiell-rechtlichen Anspruch geltend macht, sondern auf eine Norm verweist, die von Amts wegen zu beachten ist. Denn Anknüpfungspunkt der Bewertung ist – wie auch im Falle des von der Beklagten selbst angeführten „forum-shoppings“ – ein vorgelagertes Verhalten der Beklagten – die Erhebung einer, wie die Beklagte wusste, offensichtlich unzulässigen Klage in Italien (dazu im Einzelnen sogleich).

(3)
Die tatbestandlichen Voraussetzung des Rechtsmissbrauchsverbots sind vorliegend erfüllt, so dass die Beklagte aus unionsrechtlichen Grundsätzen die Wirkung des Art. 27 EuGVVO nicht für sich beanspruchen kann.

Zwar hat der EuGH in der Vergangenheit entschieden, dass bei der Prüfung von Durchbrechungen des Art. 27 EuGVVO grundsätzlich ein sehr strikter Maßstab anzulegen ist. So hat der Gerichtshof in der Rechtssache „Gasser“ (C-116/02, EuZW 2004, 188) eine Durchbrechung der Aussetzungspflicht des später angerufenen Gerichts unter Hinweis auf eine „unvertretbar lange“ Verfahrensdauer vor dem zuerst angerufenen Gericht für unzulässig erklärt. Der EuGH hat dazu ausgeführt, dass eine solche Durchbrechung offenkundig im Widerspruch stehen würde zur Systematik und dem Zweck der einschlägigen Vorschriften (Tz. 70). Das „Brüsseler Übereinkommen“ beruhe zwangsläufig auf dem Vertrauen, das die Vertragsstaaten gegenseitig ihren Rechtssystemen und Rechtspflegeorganen entgegenbrächten. Dies schließe es aus, die lange Verfahrensdauer beim zuerst angerufenen Gericht als Grund dafür anzuführen, das Brüsseler Übereinkommen (teilweise) nicht anzuwenden.

Darüber hinaus hat der EuGH in der Sache C-159/02 (EuZW 2004, 468) eine Anordnung des Court of Appeal (England & Wales) für rechtswidrig gehalten, mit welcher das Gericht der dort beklagten Partei aufgegeben hatte, ein in Spanien – aus Sicht des Gerichts wider Treu und Glauben – eingeleitetes Gerichtsverfahren umgekehrten Rubrums nicht weiter zu betreiben. In einer solchen Anordnung liege, so der EuGH, ein unzulässiger Eingriff in die von der EuGVVO etablierte Entscheidungszuständigkeit des Gerichts des anderen Mitgliedsstaates. Auch hier hat der EuGH hervorgehoben, dass Grundlage der EuGVVO, welcher zur praktisch wirksamen Durchsetzung zu verhelfen sei, das wechselseitige Vertrauen der Mitgliedsstaaten in ihre jeweilige Jurisdiktion sei. Andererseits darf ein später angerufenes ausschließlich zuständiges Gericht das Verfahren im Hinblick auf ein zeitlich zuvor angerufenes Gericht dann nicht aussetzen (vgl. EuGH NJW 2014, 1871 – Irmengard Weber/Mechthilde Weber), wenn eine etwaige Entscheidung des zuerst angerufenen Gerichts nach Art. 35 EuGVVO wegen Verletzung der Vorschriften über die ausschließliche Zuständigkeit in den übrigen Mitgliedstaaten nicht anerkannt würde.

Auch in der deutschen Rechtsprechung werden strenge Anforderungen an den Missbrauchseinwand in Bezug auf Art. 27 EuGVVO gestellt (vgl. etwa BGH zum Az. V ZB 163/12 = BeckRS 2013, 19171 Tz 21; OLG München zum Az. 21 W 1098/11).

Selbst nach diesen strengen Maßstäben ist der Beklagten vorliegend eine Berufung auf Art. 27 EuGVVO verwehrt, weil die Beklagte in Italien bewusst eine offensichtlich unzulässige Klage eingereicht hat (Art. 82 Abs. 5; 81 lit. a); 79 GGV) und damit – wie die bereits erhebliche Verfahrensdauer im Verfahren vor dem Tribunale di Napoli zeigt – zielgerichtet die Durchsetzung eines Schutzrechts mit vergleichsweise kurzer Schutzfrist unbillig verhindert.

(a)
Die von der Beklagten in Italien anhängig gemachte Klage auf Feststellung der Nichtverletzung des hiesigen Klagegeschmacksmusters ist unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zulässig. Die Gerichte in Italien sind für die Entscheidung über die Nichtverletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters der in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen dortigen Beklagten und hiesigen Klägerin international nicht zuständig. Nach Art. 82 Abs. 1 GGV sind Klagen nach dieser Vorschrift grundsätzlich am Wohnsitz des Beklagten zu erheben. Eine Ausnahme besteht gemäß Art. 82 Abs. 5 GGV lediglich für die Verletzungsklagen im Sinne des Art. 81 lit. a) GGV und Widerklagen auf Erklärung der Nichtigkeit eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters nach Art. 81 lit. d) GGV. Nur in diesen, vorliegend offensichtlich nicht gegebenen Fällen kann die Klage auch bei den Gerichten des Mitgliedstaates anhängig gemacht werden, in dem eine Verletzung begangen worden ist. Die Beklagte hat im vorliegenden Verfahren eine Zuständigkeit des italienischen Gerichts auch mit keinem Wort geltend gemacht oder nachvollziehbar begründet.

(b)
Die Beklagte wusste um die Unzulässigkeit ihrer Klage. Denn das Gericht in Neapel hatte diese Rechtsfolge mit Urteil vom 09.07.2012 in einem vergleichbaren Verfahren der Beklagten gegen die Dr. Ing. h.c. F. P. AG ausgesprochen. Dieser Umstand ist bei der Frage der Anwendung des Art. 27 EuGVVO zu berücksichtigen, denn es erscheint nicht sachgerecht, der Beklagten, der die Unhaltbarkeit der mit der negativen Feststellungsklage eingenommenen Rechtsposition zur Zuständigkeit bewusst ist, die Rechtswirkungen des Art. 27 EuGVVO zu Gute kommen zu lassen und sie ebenso zu behandeln wie Kläger, die bei Erhebung der Klage in einem anderen Mitgliedsstaat eine jedenfalls vertretbare Rechtsposition einnehmen oder zumindest die Unhaltbarkeit ihrer Rechtsposition nicht kennen.

(c)
Auch wenn nach den oben ausgeführten Rechtsgrundsätzen im Ausgangspunkt davon auszugehen ist, dass einer Klägerin im Falle des Art. 27 EuGVVO im Grundsatz ein Zuwarten auch im Falle der Erhebung einer offensichtlich unzulässigen Klage zumutbar ist, weil sich das Vertrauen unter den Mitgliedsstaaten in die jeweils andere Rechtsordnung sich im Ausgangspunkt auch darauf bezieht, dass die Frage der Unzuständigkeit vom zuerst angerufenen Gericht, sei es auch nach längerer Zeit, zutreffend erkannt wird, so gilt dieser Grundsatz bei Schutzrechten mit kurzer Schutzfrist nur eingeschränkt. Die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung i.V.m. Art. 6 EMRK, Art. 47 Abs. 2 EU-Grundrechte-Charta hat das Ziel, den Schutzrechtsinhaber in die Lage zu versetzen, sein Schutzrecht effektiv zu verteidigen. Dieser unionsrechtliche Grundsatz lässt sich auch den Erwägungsgründen der Richtlinie 2004/48 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums entnehmen. Würde Art. 27 EuGVVO im vorliegenden Fall uneingeschränkte Anwendung finden, so müsste die Klägerin als Schutzrechtsinhaberin eine zeitlich ernst zu nehmende Einschränkung der Rechte aus dem Geschmacksmuster befürchten, die faktisch einer Verkürzung der Schutzrechtsdauer gleichkäme. In der Abwägung dieser materiell-rechtlichen Position der Klägerin mit der – ausschließlich – verfahrensrechtlich geschützten Position der Beklagten ist in diesem Ausnahmefall den Belangen der Klägerin der Vorzug zu geben (so i.E. auch LG Düsseldorf zum Az. 14c 183/13, dort unter A. III. 1.).

Dabei ist zu auch berücksichtigen, dass das vom EuGH hervorgehobene Bedürfnis nach praktischer Wirksamkeit von Art. 27 EuGVVO im vorliegenden Fall materiell nicht berührt ist. Eine Beeinträchtigung des in der EuGVVO niedergelegten Zuständigkeitsgefüges steht nicht ernsthaft in Rede. Die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen, die Art. 27 EuGVVO vermeiden will, besteht tatsächlich nicht. Denn die Unzuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts ergibt sich ohne jedwede Deutungsmöglichkeit aus Art. 81, 82 GGV und ist dementsprechend von dem in Italien angegangenen Gericht auch schon zu Recht ausgesprochen worden. Der Beklagten ist dies bei Klagerhebung bekannt gewesen. Unter diesen Umständen würde eine Aussetzung des Verfahrens die Anwendung von Art. 27 Abs. 1 EuGVVO auf einen bloßen Formalismus reduzieren. Das entspricht nicht dem Zweck der EuGVVO. Auch im vorliegenden Verfahren steht angesichts der eindeutigen und der Sache nach ausschließlichen Regelung der internationalen Zuständigkeit gemäß Art. 82 Abs. 1 GGV im Raum, dass eine die dortige Zuständigkeit bejahende Entscheidung des Tribunale di Napoli in erweiternder Auslegung des Art. 35 Abs. 1 EuGVVO im Inland nicht anerkannt würde. In einer solchen Situation entbindet das Unionsrecht das später angerufene Gericht von der Anwendung des Art. 27 EuGVVO (vgl. EuGH, NJW 2014, 1871 Rn. 63 – Irmengard Weber/Mechthilde Weber).

All dies rechtfertigt es im vorliegenden Ausnahmefall, von einer Aussetzung des Verfahrens mit Blick auf die von der Beklagten erhobene negative Feststellungsklage abzusehen.

2.
Auch Art. Art. 27 Abs. 2; 28 EuGVVO; 95 GGV; § 148 ZPO stehen einer unmittelbaren Sachentscheidung der erkennenden Kammer nicht entgegen.

Die Kammer hat sich nicht gemäß Art. 27 Abs. 2 EuGVVO aufgrund des zwischen den Parteien geführten und vom Berufungsgericht in Neapel entschiedenen Verletzungsverfahrens, das andere Gemeinschaftsgeschmuster und internationale Eintragungen betraf, für unzuständig zu erklären. Beide Verfahren betrafen nicht „denselben Anspruch“ i. S. v. Art. 27 EuGVVO. Das dortige Verfahren betraf unstreitig Geschmacksmuster der Klägerin bzw. Beklagtenerzeugnisse, die mit dem hier streitgegenständlichen Klagegeschmacksmuster und streitbefangenen Felgendesign der Beklagten nicht identisch sind.

Die Kammer sieht auch keinen Grund für eine Aussetzung nach Art. 28 Abs. 1 EuGVVO, da aus den oben ausgeführten Gründen eine Sachentscheidung des Tribunale di Napoli im dortigen Verfahren nicht zu erwarten ist.

Die Kammer hat sich auch nicht im Hinblick auf die von der Beklagten beim Tribunale di Napoli eingereichte negative Feststellungsklage gemäß Art. 95 Abs. 1 GGV für unzuständig zu erklären. Die Norm setzt voraus, dass zwei Verfahren anhängig sind, von denen eines ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster und das andere ein nationales Geschmacksmusterrecht, das gleichzeitig Schutz gewährt, betrifft. Das ist hier nicht der Fall.

Schließlich ist das zwischen der Beklagten und der Dr. Ing. h.c. F. P. AG in der Revisionsinstanz anhängige Verfahren kein Grund für eine Aussetzung nach § 148 ZPO. Das zwischen diesen Parteien geführte Verfahren ist nicht vorgreiflich, d.h. die Entscheidung im vorliegenden Verfahren ist nicht abhängig von der dort zu treffenden Entscheidung. Dass dort die gleichen Rechtsfragen eine Rolle spielen, begründet keinen Aussetzungsgrund (vgl. Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 148 Rn 5; Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 148 Rn 5a).

III.
Die Klage ist nicht gemäß Art. 95 Abs. 2 GGV mit Blick auf den vom Tribunale die Napoli bereits zwischen den Parteien entschiedenen Rechtsstreit (s. Anlagen B 2; B 57) zwingend abzuweisen.

Nach Art. 95 Abs. 2 GGV weist das wegen der Verletzung oder drohenden Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters angerufene Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht die Klage ab, wenn wegen derselben Handlungen zwischen denselben Parteien ein rechtskräftiges Urteil in der Sache aufgrund eines Musterrechts, das gleichzeitigen Schutz gewährt, ergangen ist. Das ist hier nicht der Fall. Es geht im hiesigen Verfahren um andere Verletzungsmuster und deren Vertrieb und damit nicht um dieselben Handlungen i.S.v. Art. 95 Abs. 2 GGV. Der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist insoweit also nicht identisch mit demjenigen des in Italien vorentschiedenen, wie Art. 95 Abs. 2 GVV aber voraussetzt (vgl. Ruhl, GGV, 2. Aufl., Art. 95 Rn 11).

IV.
Die Klage ist vielmehr vollumfänglich begründet.

1.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte der zu Ziffer 1. tenorierte Unterlassungsanspruch aus Art. 19 Abs. 1; 10 Abs. 1; 89 Abs. 1 lit. a) zu.

a.
Die Klägerin ist Inhaberin des Gemeinschaftsgeschmacksmusters Nr. 0….3. Dieses Geschmacksmuster steht in Kraft. Seine Rechtsgültigkeit wird gemäß Art. 85 Abs. 1 GGV vermutet. Die Beklagte hat keine Nichtigkeitswiderklage erhoben.

b.
Die angegriffenen Felgen bilden unstreitig das für die Klägerin geschützte Muster nach. Sie rufen denselben Gesamteindruck hervor wie die durch das Klagemuster geschützten Felgen. Die Beklagte selbst bezeichnet ihre Felgen als Replika-Felgen.

c.
Die Beklagte kann dem Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht mit Erfolg Art. 110 GGV entgegenhalten.

aa.
Die von der Beklagten vertriebenen Felgen fallen von vornherein nicht in den Schutzbereich des Art. 110 GGV.

(1)
Art. 110 GGV ordnet an, dass für ein Muster, das als Bauelement eines komplexen Erzeugnisses im Sinne des Artikels 19 Abs. 1 GGV mit dem Ziel verwendet wird, die Reparatur dieses komplexen Erzeugnisses zu ermöglichen, um diesem wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild zu verleihen, kein Schutz als Gemeinschaftsgeschmacksmuster besteht.

Bei dem Geschmacksmuster der Klägerin handelt es sich nicht um ein solches Muster. Die Beklagten können sich mithin für die von ihnen vertriebenen Felgen nicht auf eine Ausnahme vom Geschmacksmusterschutz im vorstehenden Sinne berufen. Es handelt sich bei den Felgen der Beklagten nicht um ein Bauelement eines komplexen Erzeugnisses, das mit dem Ziel verwendet wird, dem Erzeugnis „wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild zu verleihen“. Hierunter fallen nur sog. „must-match“-Teile, also Reparaturaustauschteile, die dergestalt am Originalerscheinungsbild des Erzeugnisses teilnehmen, dass sie im Austauschfall zwingend dem Originalmuster entsprechen müssen. Dazu zählen die von der Beklagten vertriebenen Felgen nicht.

(2)
Nur „must-match“-Bauteile im vorstehenden Sinne werden durch Art. 110 GGV privilegiert. Das ergibt die Auslegung der Norm:

Zu lesen ist Art. 110 GGV zunächst einmal dahin, dass für ein Geschmacksmuster, welches in der dem Geschmacksmuster nachgebildeten physischen Form als Bauelement eines komplexen Erzeugnisses im Sinne des Artikels 19 Absatz 1 mit dem Ziel verwendet wird, die Reparatur dieses komplexen Erzeugnisses zu ermöglichen, um diesem wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild zu verleihen, kein Schutz als Gemeinschaftsgeschmacksmuster besteht (vgl. zum missverständlichen Wortlaut von Art. 110 GGV vgl. Ruhl, GGV 2. Aufl., Art. 110 Rn 20 ff.).

Bereits dem Wortlaut der Norm lässt sich insoweit entnehmen, dass nur solche Teile Bauelemente im Sinne von Art. 110 GGV sein sollen, die im Wege der Reparatur ausgetauscht werden können und die ihrer äußeren Erscheinung nach am Originalerscheinungsbild in dem Sinne teilnehmen, dass ihre Ersetzung zur Wiederherstellung des „ursprünglichen Erscheinungsbildes“ beiträgt. Nahe liegend, allerdings nicht zwingend, ist dabei im Umkehrschluss ein Verständnis dahin, dass das Bauelement dergestalt am Originalerscheinungsbild teilnehmen muss, dass bei einer Ersetzung in anderer Erscheinungsform eben nicht mehr von einer Originalanmutung gesprochen werden kann (vgl. dazu Ruhl, GGV, 2. Auflage, Art. 110 Rn 26).

Dieses Verständnis, wonach das Reparaturaustauschteil zum Erhalt der Originalanmutung zwingend in der geschmacksmustermäßig geschützten Form gewählt werden muss, um den Schutzbereich des Art. 110 GGV zu eröffnen, wird durch Sinn und Zweck der Norm und bei Berücksichtigung der auf Seiten des Schutzrechtsinhabers betroffenen Eigentumsinteressen gestützt:

Art. 110 GGV dient zwar der Liberalisierung des Handels mit Ersatzteilen (vgl. dazu LG Düsseldorf, a.a.O. unter B I. 3. a) bb) m.w.N.; OLG Stuttgart, a.a.O. Tz 60 ff.). Gleichzeitig ist die Vorschrift aber auch wegen ihres Ausnahmecharakters im Hinblick auf das an sich umfassend etablierte geschmacksmusterrechtliche „Eigentums“-Recht und vor dem Hintergrund der Bestimmungen des TRIPS (insbes. Art. 26 Abs. 2 TRIPS) restriktiv auszulegen (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O., Tz 60; LG Düsseldorf a.a.O. unter B I. 3. a) aa); Ruhl, GGV, 2. Aufl., Art. 110 Rn 16; 20). Das Landgericht Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 30.04.2015 die vorstehenden, für ein restriktives Verständnis von Art. 110 GGV sprechenden Erwägungen, wie folgt, zusammengefasst (unter B. I. 3. a) bb)):

„Zweck des Art. 110 GGV ist die Liberalisierung des Handels mit Ersatzteilen (vgl. hierzu allg. Drexl, Hilty, Kur, Designschutz für Ersatzteile – Der Kommissionsvorschlag zur Einführung einer Reparaturklausel, GRUR Int 2005, 449 ff.). Die Schutzausnahme wird damit begründet, dass anderenfalls kein Preiswettbewerb stattfände, sondern der Schutzinhaber ungebührlich hohe Preise verlangen könnte (vgl. Ruhl, a. a. O., Art. 110 Rz. 12). Selbst wenn eine solch wirtschaftspolitisch motivierte Schutzeinschränkung im Grundsatz zu billigen ist, ist stets im Einzelfall zu prüfen, ob sich aus der konkreten Schutzeinschränkung überhaupt gesamtwirtschaftlich nachweisbar ein erheblicher Nutzen ergeben kann. Denn die Begründung der überdies entschädigungslos hinzunehmenden Schutzeinschränkung trägt nur, wenn sich die Preise gerade einer Zwangssituation verdanken, nicht aber, soweit schutzrechtsgeschützte Waren ohnehin teurer sind als andere. Dies wird man, und entsprechend eng ist demnach auch die Vorschrift des Art. 110 GGV auszulegen, nur hinsichtlich solcher Ersatzteile annehmen können, deren originalgetreues Erscheinungsbild zur Reparatur objektiv notwendig („must match“) ist. Denn nur dann ist eine Monopolisierung des Sekundärmarktes für Reparaturen und Wartung, sprich ein Produktmonopol überhaupt denkbar. Für Teile, die über eine eigenständige und unabhängige Stilfunktion verfügen, die das Ergebnis einer Wahl des Designs darstellt und die vom Design des übrigen Erzeugnisses unbeeinträchtigt bleibt, stellt sich die Frage und Notwendigkeit der Öffnung des Sekundärmarktes gar nicht. Denn die Verhinderung eines bloßen Formenmonopols ist nicht beabsichtigt.“ (Hervorhebungen durch die Kammer)

Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer aus den dargelegten Gründen an. Ein Bauelement eines komplexen Erzeugnisses im Sinne von Art. 110 GGV liegt nur dort vor, wo ein entsprechendes Monopol des Schutzrechtsinhabers verhindert werden soll, das gerade darin gründet, dass das Bauteil nicht frei ausgestaltbar und nicht frei wählbar ist, sondern zwingend nach dem Geschmacksmuster des Originalherstellers ausgebildet sein muss, weil das originalgetreue Erscheinungsbild wiederhergestellt werden soll (so auch OLG Stuttgart, a.a.O., Tz 65).

Das von der Beklagten vertretene Verständnis, dass Felgen als typische Ersatzteile im Interesse der Liberalisierung des Handels mit Ersatzteilen unter die Voraussetzungen der Norm fallen müssten, überzeugt die Kammer nicht. Für ein solches Verständnis bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Insbesondere lässt sich eine solche Auslegung der Norm weder aus den gemeinschaftsrechtlichen Regelungen der Kfz-GVO (VO (EU) Nr. 1400/2002), noch aus der Designrichtlinie 98/71/EG herleiten. Beide Normenkomplexe betreffen einen eigenständigen, von den hier zur Diskussion stehenden geschmacksmusterrechtlichen Fragestellungen völlig gelösten Regelungszusammenhang. Eine Übertragung dortiger Begrifflichkeiten bzw. Auslegungsergebnisse auf Art. 110 GGV scheidet deshalb aus (so schon OLG Stuttgart, a.a.O., Tz 59).

(3)
Felgen sind keine „must-match“-Bauteile im vorstehenden Sinne. Sie nehmen nicht zwingend am Originalerscheinungsbild eines Fahrzeugs teil, sondern sind frei ausgestaltbar bzw. frei wählbar.

Dass Felgen jedenfalls generell in einer großen Vielfalt von Gestaltungen existieren und frei gewählt werden können, steht außer Frage. So wie die Klägerin als Originalherstellerin der Fahrzeuge und entsprechender Felgen eine Vielzahl von Gestaltungen anbietet, gibt es daneben einen großen Markt von Drittanbietern, die auch erheblichen Zulauf haben. Vor dem Hintergrund dieser Marksituation, die die vielfältigen Wünsche und Ansprüche der Kunden an Design und Preisgestaltung widerspiegelt, nimmt der Verkehr Fahrzeug und Felge von vornherein nicht in dem Sinne als Einheit wahr, dass er beides einheitlich dem Ursprungshersteller des Fahrzeugs zuordnet. Dementsprechend ist die Kombination einer Vielzahl unterschiedlicher Felgen unterschiedlichster Provenienz mit einem Fahrzeug zur Wiederherstellung eines vom Verkehr als originalgetreu angesehenen Erscheinungsbildes denkbar.

Eine „Zwangssituation“ im o.g. Sinne (unter (2)) ergibt sich auch nicht daraus, dass bei Felgen der Austausch eines Teils – nämlich einer Felge – bei wirtschaftlicher Betrachtung noch den Austausch weiterer Teile – der übrigen Felgen – notwendig machen kann. Regelmäßig wird ein Kunde im Falle der Beschädigung einer einzigen Felge in der Tat nicht einen ganzen Satz Felgen austauschen wollen, sondern nur eine einzige, die beschädigte Felge austauschen wollen. Der Kunde ist in seinen Wahlmöglichkeiten limitiert. Für ihn stellt sich im Schadensfall bei vernünftiger Betrachtung weniger die Frage, ob auch anders gestaltete Felgen von Drittherstellern zu seinem Fahrzeug passen, als vielmehr die Frage, ob die anders gestaltete Felge zu seinem Fahrzeug mit den verbleibenden drei Felgen passt. Das wird in aller Regel zu verneinen sein, wie sich daran ersehen lässt, dass im Straßenverkehr Fahrzeuge mit unterschiedlichen Felgendesigns nicht oder fast nicht zu finden sind. Entweder erwirbt der Kunde mithin die dem Original entsprechende (häufig teure) Felge (hier: von der Klägerin), oder er erwirbt einen vollständigen Satz neuer (günstiger) Felgen in freier Wahl, auch bei einem dritten Hersteller. Diese wirtschaftliche Situation genügt jedoch aus Sicht der Kammer nicht, um den Anwendungsbereich von Art. 110 GGV zu eröffnen. Denn eine schutzrechtlich begründete Monopolstellung in Bezug auf die Felge als Ersatzteile, wie Art. 110 GGV sie verhindern möchte, begründet diese Sachlage nicht. Vielmehr ist es lediglich eine Frage der Bereitschaft des Kunden zur Investition und damit eine Frage des Preisgefälles – in diesem Fall wohl regelmäßig zugunsten des Originalherstellers, der lediglich eine Felge anbieten muss, anstelle eines ganzen Satzes -, ob der Kunde auf ein fremdes Ersatzteil ausweicht. Eine Bezugsnotwendigkeit, die in der insoweit geschmacksmustermäßig schützbaren äußerlichen Gestaltung des Originalzustandes gründen würde, ist darin nicht zu sehen.

bb.
Die Beklagte kann sich darüber hinaus auch deshalb nicht auf Art. 110 GGV berufen, weil sie ihre Felgen nicht – wie in Art. 110 GGV aber vorausgesetzt – mit dem Ziel anbietet und vertreibt, eine Reparatur zu ermöglichen.

(1)
Die fehlende Ausrichtung des Vertriebs der Beklagten auf Reparaturfälle zeigt sich bereits daran, dass die Beklagte ihre Felgen zumindest auch im Satz von vier Felgen vertreibt, wie auch beim streitgegenständlichen Testkauf. Diese Vertriebsform steht im Widerspruch zu dem von der Beklagten vorgetragenen Reparaturzweck (vgl. auch OLG Stuttgart, a.a.O., Tz 50 ff.).

(2)
Darüber hinaus vertreibt die Beklagte ihre Felgen in Dimensionierungen (Durchmessern/Einpresstiefen), die die Klägerin überhaupt nicht anbietet. Die Beklagte hat mit Blick auf den Testkauf des Testkäufer Ö.. weder dargelegt noch bewiesen, dass die Klägerin die im konkreten Fall gelieferten Dimensionierungen selbst anbietet. Soweit die Beklagte pauschal auf die Bezugsquelle ihrer Daten, die Datenbank der Schweizer Eidgenossenschaft, verweist, und geltend macht, alle dort enthaltenen Daten zu Dimensionierungen von Felgen der Klägerin würden von der Klägerin auch tatsächlich angeboten, genügte das nicht. Die Beklagte hat dem Gericht nicht nachvollziehbar dargelegt, dass und warum diese Datenbank dafür aussagekräftig sein soll, in welchen Dimensionierungen die Klägerin ihre Felgen vertreibt. Vielmehr spricht alles dafür, dass der Vortrag der Klägerin zutrifft, der Datenbank könne lediglich entnommen werden, welche Felgengrößen für ein bestimmtes Fahrzeug technisch erlaubt sind.

Auch aus den sog. Homologationen, auf die sich die Beklagte beruft, ergibt sich nicht, dass die entsprechenden Felgen auch von der Klägerin vertrieben werden. Die Regelung Nr. 124 UN/ECE verhält sich zu sicherheitsrelevanten technischen Zulassungsvoraussetzungen, nicht aber zur Frage der Übereinstimmung in Dimensionierungen (vgl. auch OLG Stuttgart, a.a.O. Tz 41; LG Düsseldorf, a.a.O. unter B. I. 3. a) bb)).

(3)
Ob darüber hinaus gegen den von der Beklagten behaupteten Reparaturzweck spricht, dass sie ihre Felgen für Fahrzeugtypen anbietet, für die die Klägerin als Originalherstellerin diesen Felgentyp nicht anbietet, bedarf keiner Entscheidung. Darauf kommt es nach den obigen Ausführungen ebenso wenig an wie auf die Frage, ob die von der Beklagten geschilderten Maßnahmen, mit denen sie die Einhaltung des Reparaturzwecks durch ihre Kunden absichern will, als hierfür ausreichend angesehen werden können.

d.
Der Klägerin ist auch nicht aus kartellrechtlichen Gründen verwehrt, die Rechte aus dem streitgegenständlichen Gemeinschaftsgeschmacksmuster auszuüben. Der Einwand der Beklagten, die Klägerin missbrauche eine infolge ihres Schutzrechts bestehende marktbeherrschende Position i.S.v. Art. 102 AEUV, indem sie den Unterlassungsanspruch geltend mache, verfängt nicht (s. auch OLG Stuttgart a.a.O. Tz 44). Das LG Düsseldorf hat hierzu im Parallelverfahren (a.a.O. unter B. I. 3. c)) mit Recht ausgeführt:

„Der EuGH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass der bloße Erwerb eines von der Rechtsordnung gewährten ausschließlichen Rechts, dessen Substanz in der Befugnis besteht, die Herstellung und den Verkauf der geschützten Erzeugnisse durch unbefugte Dritte zu untersagen, grundsätzlich nicht als ein missbräuchliches Mittel zur Ausschaltung des Wettbewerbs angesehen werden kann, selbst wenn sie von einem Unternehmen in einer beherrschenden Stellung ausgehen sollte (vgl. EuGH, GRUR Int. 1990, 141- Volvo; GRUR Int 1995, 490 – Magill). Die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber kann hiernach vielmehr nur unter außergewöhnlichen Umständen ein missbräuchliches Verhalten des Rechtsinhabers darstellen (vgl. EuGH a. a. O.). So kommt eine solche Schutzeinschränkung nach Auffassung des EuGH etwa dann in Betracht wenn der Rechteinhaber willkürlich die Belieferung bestimmter Werkstätten verweigert, unangemessene Ersatzteilpreise verlangt oder die Lieferung von Ersatzteilen einstellt, obwohl die entsprechenden Fahrzeuge noch im Gebrauch sind (vgl. EuGH, GRUR Int 1990, 140 – CICRA/Rägie Renault). Weiter, können außergewöhnliche Umstände dann gegeben sein, wenn die Inanspruchnahme des eingeräumten Immaterialgüterrechts ohne rechtfertigenden Grund in einer Weise ausgeübt wird, der jeglichen Wettbewerb ausschließt und die Einführung neuer Produkte verhindert (vgl. EuGH, GRUR 2004, 524 – IMS/Health).

Dass solche außergewöhnlichen Umstände im Streitfall gegeben sind, ist weder dargetan noch ersichtlich. […]“

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an und macht sie sich für den vorliegenden Fall zu eigen. Auch vorliegend sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die die Ausübung des Schutzrechts als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung erscheinen lassen.

e.
Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs scheitert auch nicht mit Blick auf eine von der Beklagten angeführte Zusicherung der Automobilhersteller gegenüber dem deutschen Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Geschmacksmusterreformgesetzes im Jahre 2003, wonach die Automobilhersteller den Wettbewerb im Ersatzteilhandel nicht beeinträchtigen würden und dem freien Teilehandel durch Inanspruchnahme von Schutzrechten nicht streitig machen wollten (s. dazu in den Parallelverfahren OLG Stuttgart, a.a.O., Tz 45 ff.; LG Düsseldorf, a.a.O. unter I. 3. b.). Die Klägerin ist mit dem Verband der deutschen Automobilindustrie nicht personenidentisch und schon deshalb an eine solche Erklärung nicht gebunden, selbst wenn sie intern für die Abgabe der Erklärung gestimmt haben sollte. Im Übrigen ist auch in keiner Weise ersichtlich, dass sich der Verband und/oder seine Mitglieder in ihrer Rechtsposition dergestalt rechtlich verbindlich einschränken wollten, dass sie die (hier ohnehin nicht vorhandenen) Rechtswirkungen des Art. 110 GGV gegen sich gelten lassen wollten.

2.
Die Beklagte ist der Klägerin nach Art. 19 Abs. 1; 88 Abs. 2 GGV i. V. m. §§ 38; 42 Abs. 2 DesignG zum Schadenersatz verpflichtet. Die Beklagte hat zumindest fahrlässig gehandelt, § 276 BGB. Ihr war das Klagegeschmacksmuster der Klägerin bekannt. Sie hat dessen Gestaltung bewusst für ihr Felgendesign übernommen. Ein etwaiger Rechtsirrtum über die Reichweite des Geschmacksmusterschutzes bei Felgen entlastet sie nicht.

3.
Der Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Belegherausgabeanspruch der Klägerin folgt aus Art. 19 Abs. 1; 88 Abs. 2 GGV i.V.m. §§ 46 Abs. 1; Abs. 3 DesignG; 242, 259 BGB (zum Anspruch auf Belegherausgabe s. Ruhl, GGV, 2. Aufl., Art. 89 Rn 113; zur insoweit parallelen Frage im Markenrecht Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 19 Rn 36).

4.
Der Herausgabeanspruch zum Zwecke der Vernichtung ist begründet aus Art. 19 Abs. 1; 89 Abs. 1 lit. d) GGV i.V.m. § 43 Abs. 1 DesignG.

V.
Die Kammer sieht keinen Anlass, die Sache auszusetzen, um ein Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung von Art. 110 GGV an den EuGH zu richten, Art. 267 EUV. Die Frage, ob Felgen als Bauteile unter Art. 110 GGV zu subsumieren sind, ist zum einen schon nicht streitentscheidend, da die Beklagte, wie bereits ausgeführt, ihre Felgen nicht zu Reparaturzwecken vertreibt. Zum anderen steht die Vorlage auch im Ermessen des erkennenden Gerichts. Insoweit hätte die Kammer selbst bei Entscheidungserheblichkeit der Auslegungsfrage eine Vorlage nicht für erforderlich gehalten, da die Auslegung von Art. 110 GGV nicht zweifelhaft erscheint (s. EuGH NJW 1983, 1257 – Cilfit). Aus den angeführten Gründen ist in Übereinstimmung mit einer Vielzahl nationaler und internationaler Gerichte ohne Weiteres davon auszugehen, dass Felgen nicht der Ausnahmevorschrift des Art. 110 GGV unterfallen.

B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.