BPatG: Zur Auferlegung der Kosten für ein markenrechtliches Widerspruchsverfahren

veröffentlicht am 13. September 2016

BPatG, Beschluss vom 22.08.2016, Az. 27 W (pat) 37/16
§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG

Den Beschluss des BPatG haben wir hier für Sie besprochen (BPatG – Kostentragung Widerspruch). Den Volltext der Entscheidung finden Sie unten:


Brauchen Sie Hilfe in einem Widerspruchsverfahren?

Wurde gegen Ihre angemeldete Marke Widerspruch eingelegt? Oder wollen Sie gegen eine fremde Marke vorgehen, die Ihre Rechte beeinträchtigt? Rufen Sie uns gleich an: 04321 / 390 550 oder 040 / 35716-904. Schicken Sie uns Ihre Unterlagen gern per E-Mail (info@damm-legal.de) oder per Fax (Kontakt). Die Prüfung der Unterlagen und unsere Ersteinschätzung ist für Sie kostenlos. Unsere Fachanwälte sind mit dem Markenrecht (Gegnerliste) bestens vertraut und helfen Ihnen umgehend, gegebenenfalls noch am gleichen Tag, um eine individuelle Lösung zu finden.


Bundespatentgericht

Beschluss

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2012 015 925

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 22. August 2016 durch … beschlossen:

1.
Der Antrag des Markeninhabers auf Kostenauferlegung wird zurückgewiesen.

2.
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 29, vom 22. September 2014 ist wirkungslos.


Gründe


I.

Gegen die Marke 30 2012 015 925

curry1

u. a. geschützt für „Wurstwaren, Biere, Verpflegung von Gästen in Schnellimbissrestaurants“

hat die Beschwerdeführerin aus ihren Marken Marken 305 06 560 „CURRY 36“ und 305 06 561

curry2

u. a. geschützt für „Fleisch, Wurstwaren, Biere, Verpflegung von Gästen in Schnellimbissrestaurants“ Widerspruch eingelegt.

Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 29, hat die Widersprüche mit Beschluss vom 22. September 2014, zugestellt am 2. Oktober 2016, unter Ziff. 1) des Beschlusses zurückgewiesen und unter Ziff. 2) tenoriert: Kosten werden nicht auferlegt. Zur Begründung ist vorgetragen, selbst soweit sich identische oder auch sehr ähnliche Produkte gegenüberstünden, und bei Unterstellung der geltend gemachten erhöhten Bekanntheit der Widerspruchszeichen komme eine Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Kennzeichnungen vorliegend aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Denn der in allen Zeichen identisch enthaltene Bestandteil „CURRY“ sei als ausschließlich und unmittelbar beschreibender Hinweis auf einen elementaren Bestandteil, ein elementares Gewürz, der damit gekennzeichneten „Curry“-Würste eine schutzunfähige Angabe. Die daher relevante, konkret eingetragenen Form der Vergleichszeichen unterscheide sich ausreichend. Das angegriffene Zeichen in seiner konkreten eingetragenen Form als grafisch gestaltetes Gesamtzeichen sei ausreichend unähnlich zu dem reinen Wortzeichen 305 06 560. Das Widerspruchszeichen 305 06 561 sei zwar ebenfalls ein grafisch gestaltetes Gesamtzeichen, weise aber in der konkreten grafischen Gestaltung wiederum keinerlei Annäherungen zum angegriffenen Zeichen auf. Infolge der Schutzunfähigkeit des Wortes „CURRY“ komme auch eine Verwechslungsgefahr durch ein „gedankliches Miteinander-in-Verbindung-Bringen“ der sich gegenüberstehenden Kennzeichnungen nicht in Betracht.

Dagegen hat der Widersprechende am 31. Oktober 2014 Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die Ähnlichkeit der Zeichen sei eng, insbesondere da sich die Grafik unnötig annähere. Die Widerspruchszeichen genössen (zumindest in Berlin) Bekanntheitsschutz.

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Sach- und Rechtslage erörtert und Zustellung an Verkündungs Statt beschlossen.

In der Folgezeit hat der Beschwerdeführer seine Widersprüche zurückgenommen.

Der Beschwerdeführer beantragt nun,
festzustellen, dass der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 29, vom 22. September 2014 wirkungslos sei.

Der Markeninhaber tritt dem nicht entgegen und beantragt seinerseits,
dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Widersprechende habe den Prozess sorgfaltswidrig weiter betrieben, obwohl die Zeichen nicht verwechselbar seien, zumal eine erhöhte Kennzeichnungskraft oder gar Bekanntheit auch nicht ausreichend dargelegt worden sei.

Der Beschwerdeführer beantragt,
den Kostenantrag zurückzuweisen.

Ein Ausnahmefall, der eine Kostenauferlegung rechtfertige, läge nicht vor.

II.
Auf Antrag des Widersprechenden war nach §§ 82 Abs. 1 MarkenG, 269 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 ZPO die Wirkungslosigkeit des im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt über die am 13. Mai 2016 zurückgenommenen Widersprüche ergangenen Beschlusses auszusprechen. Die Feststellung der Wirkungen der Rücknahme, wie sie aus § 269 Abs. 3 ZPO folgen, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. Knoll in Ströbele/Hacker MarkenG, 11. Aufl. 2015, § 82 Rn. 32 f.).

Der Antrag des Inhabers des angegriffenen Zeichens auf Kostenauferlegung, über den nach Rücknahme der Widersprüche gemäß § 71 Abs. 1 und 3 MarkenG noch zu befinden ist, hat demgegenüber keinen Erfolg.

Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, der auch im Falle einer Widerspruchs- oder Beschwerderücknahme anzuwenden ist (§ 71 Abs. 4 MarkenG), können einem Beteiligten die Verfahrenskosten auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht.

Bei der zu treffenden Billigkeitsentscheidung darf nicht außer Betracht bleiben, dass eine generelle Versagung der Erstattung von Kosten den in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten Justizgewährungsanspruch beeinträchtigt (vgl. Brandi-Dohrn, FS 50 Jahre BPatG, S. 569 ff.). § 91 ZPO ist in allen Verfahren nach seinem Grundgedanken heranzuziehen (BVerfG NJW 2006, 136). Zu diesem Grundgedanken gehört die darin verankerte Unterliegenshaftung (vgl. auch Rohan Mitt. 2014, 1). Auch soweit der Gesetzgeber – wie in § 71 Abs. 1 MarkenG – einen Kostenerstattungsanspruch nur nach Maßgabe einer Billigkeitsentscheidung zugesteht, darf der Verfahrensausgang daher nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben (BVerfG NJW 1987, 2569, 2570 zu § 78 Satz 1 GWB). Dazu verlangt der im Markenrecht gesetzlich verankerte Grundgedanke der Kostenteilung aber eine Berücksichtigung der Ausgangslage und ob das Verhalten der Beteiligten der prozessualen Sorgfalt entsprach. Ein Abweichen vom Grundsatz der Kostenaufhebung ist nämlich geboten, wenn ein Verhalten eines Verfahrensbeteiligten die Kosten ganz oder teilweise verursacht hat, das mit der bei der Wahrnehmung von Rechten zu fordernden Sorgfalt nicht in Einklang steht. Dies ist nicht der Fall, wenn ein Beteiligter seine Rechte und Interessen mit den gesetzlich gegebenen Mitteln verteidigt und dabei den Instanzenweg ausschöpft (Albrecht/Hoffmann, Die Vergütung des Patentanwalts, 2. Aufl. 2012 Rn. 598, 599). Es entspricht dem Recht auf gerichtliche Kontrolle (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG), selbst bislang anerkannte Rechtsprechungsgrundsätze einer erneuten gerichtlichen Überprüfung zu stellen (vgl. BPatG Mitt. 2010, 529 – Igel plus).

Ob gegen Sorgfaltspflichten nur derjenige verstößt, der trotz ersichtlich fehlender Verwechslungsgefahr Widerspruch einlegt (BPatG, Beschl. v. 18. Juni 2009 – 30 W (pat) 108/05, BeckRS 2009, 23711 – CigarSpa/Spa), kann vorliegend dahinstehen, denn es verstößt jedenfalls nicht gegen die Sorgfaltspflicht, in einem vom Ausgang her offenen Verfahren Widerspruch zu erheben.

Der Widersprechende hat durch die Rücknahme seiner Widersprüche nicht einer von Anfang an erkennbaren Aussichtlosigkeit Rechnung getragen oder diese gar zugestanden; jede Rücknahme kann auch andere Gründe haben.

Er hat auch entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin nicht versucht, in einer erkennbar aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation, seine Interessen durchzusetzen. Es war vorliegend zumindest diskussionswürdig, ob die Widerspruchszeichen im Inland bekannte Zeichen darstellen, worauf auch der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 13. Juli 2016 hinweist.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss können die am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde einlegen. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form einzulegen.