BPatG, Beschluss vom 26.04.2018, Az. 25 W (pat) 528/16
§ 8 Abs. 2 MarkenG
Die Entscheidung des BPatG haben wir hier besprochen (BPatG – Abendland). Zum Volltext der Entscheidung unten:
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Bundespatentgericht
Beschluss
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2016 002 936.2
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 26. April 2018 unter Mitwirkung des … beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Juli 2016 aufgehoben.
Gründe
I.
Die Bezeichnung
Abendland
ist am 3. Februar 2016 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Dienstleistungen angemeldet worden:
Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten
Klasse 36: Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen
Klasse 45: Sicherheitsdienste zum Schutz von Sachwerten oder Personen; von Dritten erbrachte persönliche und soziale Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse, insbesondere Flüchtlingsbetreuung, Integrationshilfe und deren Koordination.
Mit Beschluss vom 28. Juli 2016 hat die Markenstelle für Klasse 36 des DPMA die unter der Nummer 30 2016 002 936.2 geführte Anmeldung zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Bezeichnung „Abendland“ die erforderliche Unterscheidungskraft fehle und darüber hinaus der Eintragung ein Freihaltebedürfnisses entgegenstehe, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG. Die angemeldete Bezeichnung beschränke sich auf eine rein sachbezogene Angabe ohne erkennbaren herkunftshinweisenden Gehalt. Auch wenn es sich bei dem „Abendland“ um ein sehr großes Gebiet handle, welches zudem nicht genau umrissen werden könne, sei der Begriff gleichwohl zur Beschreibung der geographischen Herkunft von Waren und Dienstleistungen geeignet und zudem mit einer positiv besetzten Vorstellung verbunden. Aus diesem Grund führe auch der Einwand des Anmelders, dass das „Abendland“ sich nicht „mathematisch“ definieren lasse bzw. keine „konkrete Bedeutung“ habe, zu keinem anderen Ergebnis. So werde beispielsweise auch der Begriff „Westen“ trotz mangelnder Konkretisierung des betreffenden Ortes als „westlich“ verstanden. Auch wenn der Begriff „Abendland“ möglicherweise in gewissem Maße unbestimmt sei und mit unterschiedlichen Dingen in Verbindung gebracht werden könne, sei er eine beschreibende Angabe und unterliege damit dem Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Darüber hinaus erfülle die bloße Eignung des Begriffs zur Beschreibung von Waren und Dienstleistungen auch den Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, wobei es nicht darauf ankomme, ob sich der Begriff „Abendland“ bereits als Fachbegriff etabliert habe, da im Rahmen der Prüfung eines Freihaltebedürfnisses auch künftige Entwicklungen zu berücksichtigen seien.
Hiergegen wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde. Dem Beschluss sei nicht zu entnehmen, inwiefern die angemeldete Marke einen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen habe bzw. sich auf eine rein sachbezogene Angabe beschränke. Dem Beschluss sei letztlich nur die Aussage zu entnehmen, dass jeder Begriff, der einen sprachlichen Sinngehalt habe, aufgrund irgendeiner assoziativen Verbindung keine Unterscheidungskraft haben könne. Dies sei rechtlich unzutreffend. Vielmehr müsse für das Fehlen der Unterscheidungskraft die Beziehung aus dem Sinngehalt des Wortes einerseits und den Waren und Dienstleistungen andererseits dergestalt sein, dass eine Unterschutzstellung die Mitbewerber beinträchtige. Ein solcher Sachverhalt sei nicht gegeben, da es keine Beziehung zwischen dem Sinngehalt des Kennzeichens und den beanspruchten Dienstleistungen gebe. Die Behauptung, der Begriff „Abendland“ beschreibe universell alle beanspruchten Dienstleistungen werde im Beschluss des DPMA durch nichts gestützt und nicht konkret begründet.
Der Anmelder und Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Juli 2016 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze des Markenanmelders und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die nach § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Eintragung des angemeldeten Zeichens stehen keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG entgegen. Deshalb war der angefochtene Beschluss aufzuheben.
1.
Die Bezeichnung „Abendland“ ist – auch wenn es sich um einen Grenzfall handeln mag – im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen keine geografische Herkunftsangabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Nach dieser Vorschrift dürfen Zeichen nicht eingetragen werden, wenn sie ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der geografischen Herkunft oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen können. Nach der Rechtsprechung des EuGH verfolgt die mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. c Markenrichtlinie übereinstimmende Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass sämtliche Zeichen oder Angaben, die Merkmale der beanspruchten Waren beschreiben, von allen frei verwendet werden können. Sie erlaubt es daher nicht, dass solche Zeichen oder Angaben aufgrund ihrer Eintragung nur einem Unternehmen vorbehalten werden (st. Rspr., vgl. z. B. EuGH GRUR 1999, 723 Rn. 25 – Chiemsee; GRUR 2004, 146 Rn. 31 – DOUBLEMINT; BGH GRUR 2012, 272 Rn. 9 – Rheinpark-Center Neuss). Entscheidendes Kriterium für den Ausschluss der Eintragung ist allein die Eignung einer Bezeichnung zur beschreibenden Verwendung. Dabei ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Rn. 29 – Chiemsee), deren Verständnisfähigkeit nicht zu gering veranschlagt werden darf. Ist die Eignung für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Produkte festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keinen weiteren Nachweis voraus, ob und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird (st. Rspr., vgl. z. B. EuGH GRUR 1999, 723 Rn. 30 – Chiemsee; GRUR 2004, 146 Rn. 32 – DOUBLEMINT; BGH GRUR 2008, 900 Rn. 12 – SPA II; GRUR 2012, 276 Rn. 8 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.).
Auch wenn das DPMA hierzu zutreffend festgestellt hat, dass die Bezeichnung „Abendland“ letztlich in einem gewissen Sinne auf einen bestimmten geografischen Raum Bezug nimmt bzw. ein bestimmtes geografisches Gebiet ansprechen kann, handelt es sich nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise bei dem Begriff „Abendland“ im Ergebnis nicht um einen geografisch beschreibenden Begriff. Dabei ist weniger entscheidend, dass sich der Bedeutungsgehalt des Wortes „Abendland“ – bezogen auf die Frage, welche Regionen ihm zugerechnet werden – erheblich verändert hat, ohne dass sich eine eindeutige und allgemein anerkannte Definition herausgebildet hätte. Historisch bezeichnete das „Abendland“ seit dem Mittelalter den Westen Europas (die Iberische Halbinsel, Frankreich, Italien, England und Deutschland – also im Wesentlichen die christianisierten, ehemaligen Provinzen des Weströmischen Reichs). In der Zeit des Kalten Krieges wurde dagegen das Abendland mit dem Begriff „Westen“ (Nordamerika und Westeuropa einschließlich Skandinavien) gleichgesetzt. Seit dem Mauerfall und der Osterweiterung der NATO bzw. der EU werden auch Teile Ost- und Südosteuropas dem Abendland zugerechnet, ohne dass sich insoweit eine klare Grenze ziehen ließe. Grundsätzlich kann aber eine Bezeichnung nach der Verkehrsauffassung auch dann als geografische Angabe verstanden werden, wann die genauen Grenzen des betreffenden Gebiets nicht eindeutig festzulegen sind.
Gegenüber der inhaltlichen Unbestimmtheit des historisch-geografischen Raumes, der mit „Abendland“ bezeichnet wird, ist jedoch ausschlaggebend, dass der Begriff letztlich vorwiegend metaphorisch verstanden wird und weniger eine geografische Region als vielmehr als eine religiöse und kulturelle Einheit oder Zusammengehörigkeit definiert. Dies wird in der starken polarisierenden Wirkung des Begriffs in der politischen Debatte deutlich, bei der „Abendland“ bzw. „christliches Abendland“ gleichfalls nicht als Definition eines geografischen Raumes verstanden wird. Mit dem Begriff „Abendland“ werden in der Regel Traditionen und Wertvorstellungen in den Vordergrund gerückt, um die eigene Zugehörigkeit und das eigene Selbstverständnis zu definieren und abzugrenzen. Anders als die Bezeichnungen „Norden“ (vgl. hierzu 32 W (pat) 15/03 – Norden), „Westen“ (vgl. hierzu 27 W (pat) 562/10 – WestSeller und 27 W (pat) 563/10 – Westseller) oder „Europa“ (vgl. hierzu 29 W (pat) 15/13 – Hotel Europa City; sämtliche Entscheidungen sind über die Homepage des Bundespatentgerichts öffentlich zugänglich) bezeichnet der Begriff „Abendland“ damit in erster Linie ein religiöses, kulturelles oder auch politisches Selbstverständnis, aber nicht vornehmlich bzw. nur mittelbar einen geografischen Raum.
Der Senat hat bei seiner Recherche keine Belege dafür auffinden können, dass der Begriff „Abendland“ im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen gegenwärtig benutzt würde, um auf die geografische Herkunft von Waren und Dienstleistungen hinzuweisen oder entsprechende Produkte werblich herauszustellen. Insoweit gilt für den Begriff „Abendland“ tatsächlich anderes als für den komplementären Begriff „Morgenland“, der im Zusammenhang mit bestimmten Produkten, vor allem solchen, die traditionell Gegenstand des mittelalterlichen und neuzeitlichen Levantehandels waren (wie etwa Gewürze oder Stoffe), beschreibend bzw. werblich verwendet wird.
2.
Nachdem der Begriff „Abendland“ aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nicht als geografische Herkunftsangabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verstanden wird, kann dem Begriff letztlich auch nicht jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden. Insbesondere ist auch nicht ersichtlich, dass der angemeldete Begriff im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen lediglich als Anpreisung oder Werbeaussage allgemeiner Art verstanden wird.