OLG München: Eine AdWords-Anzeige mit einem Markennamen darf nicht auf eine Seite führen, auf der (auch) andere Marken angeboten werden

veröffentlicht am 4. April 2018

OLG München, Urteil vom 11.01.2018, Az. 29 U 486/17
§ 14 MarkenG, § 24 MarkenG; Art. 13 Abs. 1 UMV; § 6 Abs. 1 UWG

Die Entscheidung des OLG München haben wir hier besprochen (OLG München – Markenverletzung durch AdWords-Anzeige). Zum Volltext der Entscheidung unten:


Wird Ihre Marke für fremde Produkte verwendet?

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Oberlandesgericht München

Urteil

I.
Auf die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 12.01.2017 wird dieses in Ziffer V. abgeändert und wie folgt gefasst:

 
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Beklagte zu 1) 4/7 und die Beklagte zu 2) 3/7. Die Beklagten tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
 
II.
Darüber hinaus wird auf die Berufung der Beklagten zu 2) das Urteil des Landgerichts München I in Ziffer IV. abgeändert und wie folgt gefasst:

 
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
 
III.
Im Übrigen werden die Berufungen der Beklagten zurückgewiesen.

 
IV.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben die Beklagte zu 1) 4/7 und die Beklagte zu 2) 3/7 zu tragen. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagten jeweils selbst.

 
V.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Jede der Beklagten kann die Vollstreckung aus Ziffer I. a), b) und c) des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 66.667,00 € und die Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung aus Ziffer II. des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 66.667,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet. Im Übrigen können die

 
III.
Beklagten die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.


Gründe

 
I.
Die Klägerin macht markenrechtliche Unterlassungsansprüche und die Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten geltend.

H. O. ist Inhaber der deutschen Wortmarke Nr. 39518381 „ORTLIEB“, die u.a. für die Waren Taschen für Sport und Freizeit, Fahrradtaschen und Lenkertaschen eingetragen ist (Anlage K 2). Er ist weiter Inhaber der Gemeinschaftsmarke EU 9232695 „ORTLIEB“, die ebenfalls u.a. für Fahrradtaschen Schutz genießt. Die Klägerin ist hinsichtlich der Marken als exklusive Lizenznehmerin zur Markennutzung berechtigt und zur Rechtsverteidigung autorisiert und verpflichtet. Sie stellt unter der Marke ORTLIEB Taschen aus wasserdichtem Material und andere Transportbehälter für Outdoor-Aktivitäten her.

Die Beklagte zu 1) ist für den technischen Betrieb der Website unter www…de zuständig und verantwortlich. Die Beklagte zu 2) ist Verkäuferin auf der Website www…de und tritt unter dem Verkäufernamen „A.“ auf. Die Beklagten werden von der Klägerin nicht mit Produkten der Marke ORTLIEB beliefert. Produkte der Marke ORTLIEB werden vom Verkäufer „A.“ somit nicht angeboten. Mit die Marke „Ortlieb“ wiedergebenden Anzeigen bewerben die Beklagten Angebote von Marketplace-Verkäufern für ORTLIEB-Produkte sowie Marketplace-Angebote und Angebote der Beklagten zu 2) für Produkte Dritter.

Aufgrund von bei Google gebuchten Adwords erschien am 18.05.2015 und am 19.08.2015 bei Eingabe der Wörter „Ortlieb Fahrradtasche“ (ohne Anführungsstriche) in die Google-Suchfunktion die in Ziffer La. des landgerichtlichen Urteils eingeblendete Anzeige (Anlagen K 6, K 8). Bei einem Klick auf die Anzeige erschien am 19.08.2015 die in Ziffer I.a. des landgerichtlichen Tenors eingeblendete Übersicht. Neben einem Angebot für Ortlieb Radtaschen enthält die Übersicht noch Angebote für eine Radtasche des Herstellers Vaude, für die an erster Stelle die Beklagte zu 2) als Verkäufer genannt wurde (Anlagen 9, 9a).

Am 20.08.2015 erschien aufgrund von gebuchten Adwords bei Eingabe der Wörter „Ortlieb Fahrradtasche“ (ohne Anführungsstriche) die in Ziffer II. des landgerichtlichen Tenors einge blendete Anzeige (Anlage K 10) und bei einem Klick auf die Anzeige die in Ziffer II. des landgerichtlichen Tenors eingeblendete Übersicht (Anlage K 11), in welcher an sechster Stelle eine Lenkertasche eines Wettbewerbers der Klägerin aufgeführt war, die von dem Marketplace-Verkäufer „wonderful Chim“ angeboten wurde.

Ebenfalls am 20.08.2015 erschien aufgrund von gebuchten Adwords bei Eingabe von „Ortlieb Gepäcktasche“ (ohne Anführungsstriche) in die Google-Suchfunktion die in Ziffer I. b) des landgerichtlichen Tenors eingeblendete Anzeige (vgl. Anlage K 12) und bei einem Klick auf die Anzeige eine Angebotsübersicht (Anlage K 13), die unter den ersten 16 Ergebnissen sechs Produkte von Wettbewerbern der Klägerin enthielt. Bei dem an fünfter Stelle aufgeführten Angebot einer Radtasche des Konkurrenten Vaude (Anlage K 14) handelte es sich um ein Angebot der Beklagten zu 2) ebenso wie bei dem Angebot des „Quad Lock Fahrradzubehör Bike Kit“ eines Wettbewerbers der Klägerin (Anlage K 15).

Am 07.09.2015 und 17.09.2015 gelangte man bei der Eingabe der Suchwortkombination „Ortlieb Outlet“ (ohne Anführungsstriche) bei Google aufgrund von gebuchten Adwords auf die in Ziffer I. c) des landgerichtlichen Tenors eingeblendete Anzeige (Anlage K 16, K 19). Der Klick auf diese Anzeige führte zu Angebotsübersichten, die Angebote von Produkten von Wettbewerbern der Klägerin enthielten (Anlagen K 17, 18 und 20), u.a. ein Angebot der Beklagten zu 2) (Anlage K 21).

Die Klägerin hat die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 25.08.2015 (Anlage K 31) und die Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 11.09.2015 (Anlage K 34) abgemahnt. Dem hiesigen Verfahren ist ein einstweiliges Verfügungsverfahren vorausgegangen (vgl. Senat GRUR-RR 2016, 199 -Ortlieb-Fahrradtasche).

Nach Auffassung der Klägerin sind die Anzeigen, die mit den auch nicht Ortlieb-Produkte umfassenden Angebotslisten verknüpft sind, markenverletzend. Mit dem Wortlaut der Anzeigen würde ein ganz konkretes Markenprodukt beworben. Die Beklagten würden daher die Lotsenfunktion der Klagemarke missbrauchen, wenn sie solche Anzeigen mit Angebotslisten verlinken, welche auch Angebote von Wettbewerbern der Klägerin enthalten.

Die Beklagten halten die Unterlassungsklageanträge für zu unbestimmt und somit für unzulässig.

Ihrer Auffassung nach ist die Klage aber auch unbegründet. Eine Markenverletzung liege nicht vor. Die angesprochenen Verkehrskreise würden, wenn sie selbst die Marke ORTLIEB zusammen mit einem Gattungsbegriff eingeben, auch Treffer erwarten, die nur mit der eingegebenen Gattungsbezeichnung in Zusammenhang stehen. Da auf der mit der Adword-Anzeige verlinkten Trefferliste tatsächlich ORTLIEB-eigene Produkte angeboten würden, sei eine Markenverletzung auch nach § 24 Abs. 1 MarkenG bzw. Art. 13 Abs. 1 UMV ausgeschlossen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 12.01.2017 (Az. 17 HK O 22589/15, juris), auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, der Klage vollumfänglich stattgegeben und wie folgt erkannt:
 
I. Den Beklagten wird es für das Territorium der Bundesrepublik Deutschland bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem gesetzlichen Vertreter, untersagt,
 
im Internet mit Anzeigen für Angebote von Fahrradtaschen, Gepäcktaschen, Fahrradtaschen-Zubehör oder Lenkertaschen zu werben, wenn in der Anzeige das Zeichen ORTLIEB als einziger Markenname wiedergegeben ist und der in der Anzeige enthaltene Link zu einer Liste mit Angeboten für Fahrradtaschen, Gepäcktaschen, Fahrradtaschen-Zubehör oder Lenkertaschen führt, die nicht alle unter der Marke ORTLIEB von der Inhaberin oder mit ihrer Zustimmung in den Verkehr gebracht wurden, wenn dies geschieht wie mit den folgenden Kombinationen aus Anzeigen und damit verlinkten Angebotslisten:
 
a) [Abb.]

b) [Abb.]

c) [Abb.]

II. Der Beklagten zu 1) wird es darüber hinaus für das Territorium der Bundesrepublik Deutschland bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem gesetzlichen Vertreter, untersagt,
 
im Internet mit Anzeigen für Angebote von Gepäcktaschen zu werben, wenn in der Anzeige das Zeichen ORTLIEB als einziger Markenname wiedergegeben ist und der in der Anzeige enthaltene Link zu einer Liste mit Angeboten für Gepäcktaschen führt, die nicht alle unter der Marke ORTLIEB von der Inhaberin oder mit ihrer Zustimmung in den Verkehr gebracht wurden, wenn dies geschieht wie mit der folgenden Kombination aus Anzeige und damit verlinkter Angebotsliste:

[Abb.]

III. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin € 2.636,90 zuzüglich 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 09.09.2015 zu zahlen,
 
IV. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin € 1.973,90 zuzüglich 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18.09.2015 zu zahlen.
 
V. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten zu 1) und 2) samtverbindlich 3/4 und die Beklagte zu 1) ein weiteres Viertel.
 
VI. [vorläufige Vollstreckbarkeit] Gegen dieses Urteil wenden sich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags die Beklagten mit ihren Berufungen.

Die Beklagten beantragen,
 
Das Urteil der 17, Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I vom 12.01.2017, Az. 17 HK O 22589/15, wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt mit der Maßgabe, dass die Klage primär auf die DE-Marke und erst in zweiter Linie auf die Unionsmarke gestützt wird:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2018 Bezug genommen.
 
II.
Die Berufungen der Beklagten sind zulässig, aber nur zu einem geringen Teil begründet. Der Klägerin stehen sowohl die markenrechtlichen Unterlassungsansprüche als auch der gegen die Beklagte zu 1) geltend gemachte Kostenersatzanspruch zu. Begründet sind die Berufungen der Beklagten nur insofern, als die Kostenentscheidung erster Instanz geringfügig abzuändern war, sowie die Berufung der Beklagten zu 2) hinsichtlich der vorgerichtlichen Kosten.

1.
Die Berufungen der Beklagten sind zulässig und zwar auch soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung der Abmahnkosten richten. In der Berufungsbegründung ist zwar nicht ausdrücklich dargelegt, warum das Urteil hinsichtlich dieser Verurteilungen auf einer Rechtsverletzung beruht (vgl. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Die gegen die Beklagte zu 1) ausgesprochene Abmahnung (Anlage K 31) bezog sich aber auf auch in diesem Klageverfahren streitgegenständliche Ansprüche, so dass die Darlegungen zur Unrichtigkeit der Verurteilung in der Hauptsache auch die Berechtigung der Abmahnung und somit den Kostenerstattungsanspruch erfassen. Das Abmahnschreiben vom 11.09.2015 (Anlage K 34), für das die Beklagte zu 2) auf Kostenerstattung in Anspruch genommen wird, betrifft zwar einen anderen Streitgegenstand, so dass diesbezüglich die Berufung an sich nur zulässig wäre, wenn sich in der Berufungsbegründung Ausführungen zur Fehlerhaftigkeit des Urteils insoweit fanden. Die Verurteilung der Beklagten zu 2) hinsichtlich der Abmahnkosten erfolgte jedoch offensichtlich auf der – nicht zutreffenden – Grundlage, dass sich die Abmahnung auf die auch im Klageverfahren streitgegenständlichen Ansprüche bezog, so dass die Ausführungen zur Fehlerhaftigkeit der Verurteilung in der Hauptsache nach dem landgerichtlichen Urteil auch die Verurteilung zu den Abmahnkosten umfasst, so dass die Berufungsbegründung auch hinsichtlich der Abmahnkosten den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO genügt.

2.
Die jeweils auf die konkrete Verletzungsform bezogenen Unterlassungsklageanträge sind hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Aufgrund der Ausführungen in der Klageschrift steht unzweifelhaft fest, dass die Klägerin die Verwendung der Marke „ORTLIEB“ in den konkret angegriffenen Verletzungsformen angreift, auch wenn im einleitenden Obersatz auf „ORTLIEB“ als einzigem in der Anzeige wiedergegebenen Markennamen abgestellt wird, obwohl in der Anzeige auch die Marke „Amazon“ genannt wird.

3.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aufgrund Verletzung der deutschen Wortmarke 39518381 ORTLIEB gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2, 5 MarkenG zu.

a)
Der Klägerin wurde die Nutzung der Marke vom Markeninhaber O. lizenziert und dieser hat sie ermächtigt, Markenverletzungen im eigenen Namen geltend zu machen (vgl. Anlage K 3). Die Klägerin ist somit gemäß § 30 Abs. 3 MarkenG aktivlegitimiert.

b)
Die Beklagten zu 1) und 2) sind hinsichtlich der in Ziffer I. des landgerichtlichen Urteils tenorierten Unterlassungsgebote, die Beklagte zu 1) überdies hinsichtlich des in Ziffer IL des landgerichtlichen Urteils tenorierten Unterlassungsgebots passivlegitimiert. Die Beklagte zu 1) ist als Betreiberin der Website für die Verlinkung der Anzeigen mit den Angebotslisten verantwortlich. Soweit durch die Verlinkung der Anzeigen mit den Angebotslisten Verkäufe der von der Beklagten zu 2) angebotenen Waren gefordert werden, ist diese als Auftraggeberin gemäß § 14 Abs. 7 MarkenG für die entsprechende Gestaltung anzusehen.

c)
In den Anzeigen wurde das mit der Marke identische Zeichen „Ortlieb“ benutzt. Trotz der unterschiedlichen Groß- und Kleinschreibung sind die Marke „ORTLIEB“ und das Zeichen „Ortlieb“ im Sinne vom § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG identisch (vgl. BGH GRUR 2015, 607 Tz. 21 – Uhrenankauf im Internet). Das Zeichen wurde auch für identische Waren benutzt, für die die Marke Schutz genießt, insbesondere für Fahrradtaschen und Lenkertaschen.

d)
Erschöpfung gemäß § 24 MarkenG ist nur insoweit eingetreten, als die Anzeige sich auf Ortlieb Produkte bezieht. Soweit in den verlinkten Angebotslisten Produkte anderer Hersteller enthalten sind, sind diese nicht vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht worden, so dass hinsichtlich der Nutzung der Marke für diese Waren auch keine Erschöpfung eingetreten sein kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich auch aus
der Entscheidung des Bundesgerichtshofs Uhrenankauf im Internet (GRUR 2015, 607 ff.) nichts anderes. Streitgegenstand der dortigen Entscheidung war lediglich die Zulässigkeit der Werbeanzeige, die das Zeichen „Rolex“ enthielt und nicht die Verlinkung der Anzeige mit einer auch andere als Rolex-Uhren enthaltenden Angebotsliste (vgl. BGH a.a.O. S. 607 – Uhrenankauf im Internet). Erschöpfung ist auch in dieser Entscheidung nur hinsichtlich der Bewerbung der mit Zustimmung des Markeninhabers in den Verkehr gebrachten Rolex Uhren angenommen worden (vgl. BGH a.a.O. Tz. 27 – Uhrenankauf im Internet).

e)
Auch in Fällen der Doppelidentität kann der Markeninhaber einer Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens nur widersprechen, wenn dadurch eine der Funktionen der Marke beeinträchtigt werden kann (vgl. BGH a.a.O. Tz. 24 – Uhrenankauf im Internet; EuGH GRUR 2010, 445 Tz. 79 – Google France; GRUR 2010, 451, Tz. 29 – BergSpechte/trekking.at Reisen). Vorliegend ist die Hauptfunktion der Marke, nämlich die herkunftshinweisende Funktion durch die Nutzung des Zeichens in der Anzeige, die mit einer auch Produkte anderer Hersteller enthaltenen Liste verlinkt war, beeinträchtigt.

aa)
Der angesprochene Verkehr erwartet, dass ihm beim Anklicken der streitgegenständlichen Anzeigen Angebote der in den Anzeigen beworbenen Produkte gezeigt werden, bei der in Ziffer La) des landgerichtlichen Tenors eingeblendeten Anzeige somit Fahrradtaschen von Ortlieb, bei der in Ziffer Lb) eingeblendeten Anzeige somit Fahrradtaschen und Zubehör von Ortlieb, bei der in Ziffer Lc) eingeblendeten Anzeige Lenkertaschen von Ortlieb und bei der in der in Ziffer II. eingeblendeten Anzeige Gepäcktaschen von Ortlieb. Der Verkehr hat in Anbetracht der Gestaltung der Anzeigen keinerlei Veranlassung anzunehmen, ihm würde bei Anklicken der Anzeige eine Angebotsübersicht präsentiert, in der ohne gesonderte Kenntlichmachung neben Ortlieb Produkten gleichrangig auch Angebote anderer Hersteller enthalten sind.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich auch nicht aus den in den Anzeigen jeweils in Teilen wiedergegebenen URL’s, dass in den Angebotslisten neben Ortlieb-Produkten auch Angebote anderer Hersteller enthalten sind. Durch die in den Anzeigen nur selektiv wiedergegebenen URL’s wird die durch die Überschrift der Anzeigen hervorgerufene Erwartung, dass die Anzeige nur zu Angeboten von entsprechenden Ortlieb-Produkten führt, vielmehr noch verstärkt. Die Beklagten haben sich gerade dafür entschieden, die URL’s in den Anzeigen nicht ganz oder zumindest insoweit wiederzugeben als dass dem Verkehr deutlich werden könnte, worauf sich die mit einem +-Zeichen verbundenen Begriffe tatsächlich beziehen. Die URL’s enthalten nämlich die Angaben „keywords+ortlieb+fahrradtasche“ (vgl. Anlage K 9) bzw. „keywords+lenkertasche+fahrrad+ortlieb“ (vgl. Anlagen K 17, K 18, K 20). Würden diese Teile der URL’s in den Anzeigen wiedergegeben, würden Teile des Verkehrs möglicherweise darauf schließen, die Wiedergabe der Begriffe in den URL’s sei, wie von den Beklagten vorgetragen, darauf zurückzuführen, dass diese Begriffe bei Google als adwords gebucht wurden. Durch die Angabe „bzw.“ und dann folgend die jeweilige Aneinanderreihung der schon in der ersten Zeile der Anzeige enthaltenen Begriffe verbunden mit einem +-Zeichen, wird dem Verkehr dagegen suggeriert, dass er durch Anklicken der Anzeige zu der Webseite www…de gelangt und zwar dort zu einer Zusammenstellung von Angeboten, die die genannten Kriterien erfüllen, somit zu entsprechenden Produkten der Marke Ortlieb.

Aufgrund der jeweils zweiten Zeile der Anzeigen mit der Wiedergabe der Teile aus den URL/s kann auch der von den Beklagten gezogene Vergleich mit einem Kunden, der aufgrund eines beworbenen Markenprodukts ein Kaufhaus betritt und dem dann dort Waren aller möglicher Marken präsentiert werden, nicht überzeugen. Da gerade nicht nur auf www….de in den Anzeigen hingewiesen wird, sondern auf www…de/ und dann die nähere Eingrenzung erfolgt, rechnet der Verkehr – zutreffenderweise – nicht damit, auf die Startseite der Verkaufsplattform www…de geleitet zu werden und sich dann weiter durchklicken zu müssen, sondern er rechnet mit spezifisch zu der Anzeige passenden Angeboten. Die Erwartung des Kunden entspricht im stationären Handel der Situation, wenn der Kunde einen Verkäufer nach Produkten einer bestimmten Gattung eines konkreten Herstellers fragt und der Verkäufer ihm sodann ohne entsprechenden Hinweis Produkte anderer Hersteller präsentiert. In dieser, der Erwartung des Kunden beim Anklicken der Online-Anzeige entsprechenden Situation, rechnet der Kunde auch im stationären Handel nicht damit, Produkte anderer Hersteller angeboten zu bekommen und geht zumindest zunächst davon aus, dass es sich bei den Angeboten um die von ihm nachgefragten Markenprodukte handelt.

bb)
Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus der BergSpechte-Entscheidung des EuGH (GRUR 2010, 451 ff.) und der MOST-Pralinen-Entscheidung des BGH (BGH GRUR 2013, 290 ff.) nicht, dass durch das angegriffene Verhalten der Beklagten die Herkunftsfunktion der Marke ORTLIEB nicht beeinträchtigt wird.

Der EuGH hatte in der BergSpechte-Entscheidung und der BGH in der MOST-Pralinen-Entscheidung darüber zu befinden, ob eine Markenverletzung vorliegt, wenn durch die Hinterlegung eines mit der Marke identischen Schlüsselworts eine – die Marke nicht enthaltende -Anzeige eines Dritten erscheint und sie haben ausgeführt, dass die herkunftshinweisende Funktion der Marke beeinträchtigt ist, wenn aus der Anzeige für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienstleistungen von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr einem Dritten stammen (EuGH a.a.O. Tz. 35 – BergSpechte/trekking.at Reisen; vgl. auch EuGH GRUR 2010, 445 Tz. 84 -Google France; BGH GRUR 2013, 290 Tz.22 – MOST-Pr ahnen). Vorliegend geht es gar nicht darum, ob die Buchung des Zeichens „Ortlieb“ bei Google als adword für das Erscheinen der Anzeige eine Markenverletzung darstellt, sondern ob die Verwendung des Zeichens „Ortlieb“ in der Anzeige mit der Verlinkung auf eine auch Produkte Dritter enthaltende Angebotsliste eine Markenverletzung darstellt.

cc)
Die herkunftshinweisende Funktion der Marke ist vorliegend dadurch beeinträchtigt, dass der Kunde aufgrund der Gestaltung der Anzeigen davon ausgeht, nur Ortlieb-Produkte präsentiert zu bekommen, ihm jedoch tatsächlich in der „Trefferliste“ zu der Anzeige – und nicht etwa davon abgesetzt als Alternativangebote von Drittanbietern – Angebote anderer Hersteller präsentiert werden. Der Kunde erkennt somit – wenn überhaupt – erst nach genauerer Ansicht der Angebote, mit denen er sich beschäftigt, weil er sie für Angebote von Waren der Marke Ortlieb hält, dass es sich tatsächlich um Angebote von Wettbewerbern handelt. Die herkunftshinweisende Funktion der Marke wird durch die Präsentation von Drittangeboten als „Treffer“ zu den erwarteten Angeboten von Ortlieb-Produkten beeinträchtigt.

dd)
Aus der Entscheidung Staubsaugerbeutel im Internet (BGH GRUR 2015, 1136 ff.) ergibt sich schon deshalb nichts anderes, weil die Zulässigkeit der dort angegriffenen Werbung anders als im hiesigen Fall nach besonderen für vergleichende Werbung geltenden Geboten zu beurteilen war (vgl. BGH a.a.O. Tz. 34 – Staubsaugerbeutel im Internet). Entgegen der Auffassung von Prof. Dr. O. in seinem von den Beklagten im Termin vom 11.01.2018 übergebenden Gutachten (Anlage zum Protokoll vom 11.01.2018, dort Tz. 61) liegt keine vergleichende Werbung im Sinne von § 6 Abs. 1 UWG vor, wenn die Bezugnahme nicht durch eine in der betreffenden Werbemaßnahme enthaltene Äußerung erfolgt (BGH GRUR 2008, 628 Tz. 20 – Imitationswerbung), was vorliegend nicht der Fall ist.

f)
Schließlich ist die angegriffene Praxis der Beklagten auch nicht deshalb zulässig, weil es nicht Aufgabe der Marke ist, ihren Inhaber vor Praktiken zu schützen, die zum Wettbewerb gehören (vgl. EuGH MMR 2011, 804 Tz. 57 – Interflora). Es gehört nicht zum Wettbewerb, Anzeigen zu bestimmten Markenprodukten in der geschehenen Weise mit Trefferlisten zu verlinken, die Produkte anderer Hersteller enthalten.

4.
Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Kosten gegen die Beklagte zu 1) ergibt sich aus § 677, § 683 BGB. Die berechtigte Abmahnung erfolgte im Interesse der Beklagten zu 1). Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB. Aufgrund der im Abmahnschreiben (Anlage K 31) enthaltenen Fristsetzung befindet sich die Beklagte zu 1) seit dem 09.09.2015 in Verzug.

5.
Hinsichtlich der gegen die Beklagte zu 2) geltend gemachten Abmahnkosten war die Klage unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2) mit Abmahnschreiben vom 11.09.2015 (Anlage K 34) nicht die hier streitgegenständlichen Unterlassungsansprüche geltend gemacht. Mit der Abmahnung vom 11.09.2015 hat die Klägerin vielmehr bezogen auf eine konkrete Verletzungsform die Unterlassung der Verwendung des Zeichens „Ortlieb“ als keyword in der internen Suchmaschine der Website www.de verlangt, wenn in der Ergebnisliste auch Angebote der Beklagten zu 2) von Produkten Dritter angezeigt werden. Die Beklagte zu 2) hat jedoch dargelegt, dass die Anzeige von Angeboten der Beklagten zu 2) von Drittprodukten nicht auf die Hinterlegung des Keywords „Ortlieb“ zurückzuführen sei, sondern sich als Folge des internen Such-Algorithmus ergebe. Die Klägerin hat den von ihr mit Abmahnschreiben vom 11.09.2015 geltend gemachten Markenverstoß nicht unter Beweis gestellt.

Darüber hinaus war das Abmahnschreiben an die hiesigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht nur als Vertreter der Beklagten zu 2), sondern auch als Vertreter der Beklagten zu 1) und der … Europe S.a.r.I. gerichtet und die Klägerin hat außergerichtlich alle drei Gesellschaften auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Beklagte zu 2) könnte daher, selbst wenn die Abmahnung berechtigt gewesen wäre, ohnehin nur auf 1/3 der Kosten der Abmahnung in Anspruch genommen werden.
 
III.
Zu den Nebenentscheidungen:

1.
Die Entscheidungen über die Kosten beruhen hinsichtlich der Berufung der Beklagten zu 1) auf § 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der ersten Instanz, soweit sich die Klage gegen die Beklagte zu 1) richtet, auf § 91 Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich der Berufung der Beklagten zu 2) und der ersten Instanz, soweit sich die Klage gegen die Beklagte zu 2) richtet, beruhen die Kostenentscheidungen auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Da die Beklagten nicht als Gesamtschuldner, sondern jeder für sich zur Unterlassung verpflichtet sind, besteht auch hinsichtlich der Kosten keine gesamtschuldnerische Haftung, so dass die erstinstanzliche Kostenentscheidung insoweit abzuändern war.

2.
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

3.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.

Vorinstanz:
LG München I, Az. 7 O 22589/15