OLG Frankfurt a.M.: Zur Aussetzung eines markenrechtlichen Verletzungsverfahrens wegen Nichtigkeitswiderklage

veröffentlicht am 10. Oktober 2017

OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 25.07.2017, Az. 6 W 60/17
§ 148 ZPO; Art. 53 UMV, Art. 99 UMV

Eine kurze Zusammenfassung der Entscheidung finden Sie auf unserer Hauptseite (OLG Frankfurt – Aussetzung Verletzungsverfahren). Den Volltext haben wir für Sie unten wiedergegeben:


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Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschluss

Die Aussetzungsentscheidung wird aufgehoben. Der beim Landgericht anhängige Teil des Rechtsstreits ist fortzusetzen.

Gründe


I.
Die Klägerin verlangt mit dem Klageantrag zu 1) von der Beklagten die Einwilligung in die Löschung einer deutschen Marke „A“ wegen Verfalls. Aus dieser Marke verlangt die Beklagte mit dem Widerklageantrag zu 1) die Nichtigerklärung einer prioritätsjüngeren Unionsmarke „B“ der Klägerin. Gestützt auf die letztgenannte Marke nimmt die Klägerin die Beklagte mit den Klageanträgen zu 3), 5), 6) und 7) auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatzfeststellung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch; hilfsweise stützt sie diese Ansprüche auf eine Verletzung ihres Unternehmenskennzeichenrechts (§§ 15, 125b MarkenG).

Das Landgericht hat die Beklagte durch Teilurteil vom 24.7.2017 unter Abweisung des weitergehenden Klageantrags zu 1) zur Einwilligung in die Löschung ihrer Marke „A“ für bestimmte Waren und Dienstleistungen verurteilt und hinsichtlich des Widerklageantrags zu 1) und der Klageanträge zu 3), 5), 6) und 7) das Verfahren bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Klageantrag zu 1) ausgesetzt; hinsichtlich weiterer Anträge hat es Klage und Widerklage abgewiesen. Gegen das Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Eine Berufungserwiderungsfrist ist bisher nicht gesetzt worden.

Mit der sofortigen Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die im Urteil enthaltene Aussetzungsentscheidung.

II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 252 ZPO zulässig; da die Aussetzung mit Urteil vom 27.4.2017 angeordnet worden ist, war eine Entscheidung des Landgericht über die Abhilfe oder Nichtabhilfe nicht veranlasst (§§ 572 I 2 i.V.m. 318 ZPO).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

1.
Hinsichtlich des Widerklageantrags zu 1) liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach § 148 ZPO nicht vor.

Nachdem die Klägerin gegen das Teilurteil des Landgerichts über die Löschung der deutschen Marke der Beklagten (Klageantrag zu 1)) Berufung eingelegt hat, handelt es sich zwar bei diesem Berufungsverfahren um einen „anderen anhängigen Rechtsstreit“ im Sinne von § 148 ZPO. Der Gegenstand dieses Berufungsverfahrens, nämlich die Frage, ob und in welchem Umfang die Marke der Beklagten wegen Verfalls löschungsreif ist, ist jedoch nicht vorgreiflich für den noch beim Landgericht anhängigen Widerklageantrag zu 1), mit dem die Beklagte gestützt auf ihre deutsche Marke eine Nichtigerklärung der Unionsmarke der Klägerin erreichen will (Art. 53 I UMV). Denn gegenüber diesem Begehren kann sich die Klägerin auch einredeweise auf den Verfall der älteren deutschen Marke wegen Nichtbenutzung berufen (§§ 125b Nr. 5 b i.V.m. 55 III MarkenG). Soweit die materiell-rechtlichen Verfallsvoraussetzungen gegeben sind, hängt die Berücksichtigung dieses Umstands bei der Entscheidung über den Widerklageantrag zu 1) daher nicht von einer rechtskräftigen Löschung der Marke der Beklagten ab.

2.
Damit kommt auch eine Aussetzung des Rechtsstreits über die Klageanträge zu 3), 5), 6) und 7), mit denen die Klägerin jeweils Ansprüche wegen Verletzung ihrer Unionsmarke geltend gemacht, jedenfalls nach dem derzeitigen Verfahrensstand nicht in Betracht.

Das Landgericht hat ersichtlich angenommen, dass der Klägerin diese Ansprüche bei einer Rechtsbeständigkeit ihrer Unionsmarke zustehen; davon ist auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu Gunsten der Klägerin auszugehen. Die Klageanträge zu 3), 5), 6) und 7) sind daher nur dann abzuweisen, wenn die Unionsmarke der Klägerin auf den Widerklageantrag zu 1) für nichtig erklärt wird. Eine Entscheidung über diese Widerklage wäre auch für die Klageansprüche wegen Verletzung dieser Marke im Sinne von § 148 ZPO vorgreiflich, weil der Einwand der Nichtigkeit einer Unionsmarke wegen entgegenstehender älterer Marken (Art. 8 II UMV) nur im Wege der Widerklage nach Art. 53 I UMV, nicht aber einredeweise geltend gemacht werden kann (Art. 99 I, III UMV). Die Frage, ob das Verfahren über die Klageanträge zu 3), 5), 6) und 7) bis zur Rechtskraft einer Entscheidung über die Nichtigkeit der Unionsmarke auszusetzen ist, kann sich im vorliegenden Fall aber erst nach einer Entscheidung des Landgerichts über den Widerklageantrag zu 1) stellen.

3.
Eine Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ist nicht zu treffen (vgl. BGH FamRZ 2006, 1268; OLG Koblenz MDR 2015, 1440 [OLG Koblenz 21.07.2015 – 10 W 433/15]).

Vorinstanz:
LG Frankfurt a.M., Az. 2-3 O 247/16