LG Düsseldorf: Zur Einschränkung der Gestaltungsfreiheit durch vorbekannte Geschmacksmuster

veröffentlicht am 6. Februar 2017

LG Düsseldorf, Urteil vom 01.12.2016, Az. 14c O 194/13
Art. 86 Abs. 1 lit. a) GGV, Art. 25 Abs. 1 lit. b) GGV

Eine Zusammenfassung des Urteils finden Sie hier (LG Düsseldorf – Gestaltungsfreiheit Geschmacksmuster), den Volltext der Entscheidung unten:


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Landgericht Düsseldorf

Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Drittwiderklage wird das Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. #####/####-0002 für nichtig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 40 % und die Drittwiderbeklagte zu 60 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
 
Tatbestand

 
Die Klägerin nimmt die Beklagte in Prozessstandschaft aus einem eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Schadenersatzfeststellung und Zahlung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch. Die Beklagte verlangt drittwiderklagend, dieses Gemeinschaftsgeschmacksmuster für nichtig zu erklären.

Die Klägerin vertreibt u. a. Schmuck, Taschen und Gürtel. Ihre Geschäftsführerin, die Drittwiderbeklagte, ist Inhaberin des am 23.02.2009 angemeldeten und eingetragenen und am 12.03.2009 veröffentlichten, in Kraft stehenden Gemeinschaftsgeschmacksmuster #####/####-0002 (im Folgenden: Klagegeschmacksmuster), wie nachstehend wiedergegeben:

[Abb.]

Wegen der Einzelheiten der von der Klägerin nach dem Klagegeschmacksmuster hergestellten und unter der Produktbezeichnung „Alba“ vertriebenen Trensenarmbänder wird auf die Abbildungen in der Anlage K 1 verwiesen.

Die Beklagte ist ein Einkaufsverband für Pferdesport-Fachgeschäfte und bietet für die über hundert angeschlossenen Händler in zwölf Ländern eine Vielzahl von Produkten im Zusammenhang mit dem Pferdesport an. In ihrem Katalog #####/#### bewarb sie unter dem Titel „Raffinierte Armbänder“ u. a. die im Klageantrag zu Ziffer I.1. in schwarz-weiß abgebildeten Armbänder (wegen der konkreten farblichen Gestaltung vgl. Anlage K 3). Lieferantin dieser Armbänder war die Maria Exports International aus Indien.

Die Klägerin mahnte die Beklagte mit patentanwaltlichem Schreiben vom 28.11.2012 (Anlage K 4) ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadenersatzzahlung auf. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 05.12.2012 (Anlage K 5) ab.

Die Klägerin und die Drittwiderbeklagte sind der Ansicht, das Klagegeschmacksmuster sei rechtsbeständig, da es neu sei und über Eigenart verfüge. So hebe es sich deutlich vom vorbekannten Formenschatz ab (Anlage K 17). Eine Vorbekanntheit der angegriffenen Muster bestreiten sie. Selbst wenn diese aber innerhalb der Neuheitsschonfrist des Klagegeschmacksmusters der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sein sollten, seien sie bei der Beurteilung der Neuheit und Eigenart des Klagegeschmacksmusters nicht zu berücksichtigen, da die Veröffentlichung dann nur Folge einer missbräuchlichen Handlung gegen die Drittwiderbeklagte sei. So habe die Drittwiderbeklagte das Klagegeschmacksmuster im Zeitraum Ende 2006 bis Ende 2007 entwickelt, wozu sie näher ausführen. Die angegriffenen Muster basierten auf einer kopierenden Übernahme der veröffentlichten Muster der Drittwiderbeklagten. Es sei nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen, dass ein indischer Vorlieferant, der bis dato nie mit Schmuckwaren in Erscheinung getreten sei, rein zufällig eine Schmucktrense als Verschluss für ein Armband designe, das rein zufällig in allen wichtigen Designelementen identisch mit der geschützten Schmucktrense der Drittwiderbeklagten sei, obwohl sich dieses seinerseits eklatant von allen üblicherweise im Reitsport verwendeten Trensen unterscheide. Es sei davon auszugehen, dass der indische Lieferant der Beklagten die von der Klägerin/Drittwiderbeklagten regulär verkauften oder als Muster überlassenen Armbänder entdeckt habe oder ihm diese zur Verfügung gestellt worden seien, und er sie dann ganz offensichtlich nachgeahmt habe. So seien die „Alba“-Trensenarmbänder im Jahre 2008 auf zahlreichen Messen und Turnieren präsentiert worden, überdies an zahlreiche Fachgeschäfte verkauft und allein im Juni und Juli 2008 an die Firma G. I3 GmbH & Co. KG 11.000 Stück dieser Armbänder ausgeliefert worden, die diese als Werbemittel und Give Aways an ihre Kunden verteilt habe.

Der Vertrieb der angegriffenen Muster stelle eine Verletzung des – somit rechtsbeständigen – Klagegeschmacksmusters dar, da auch sie ein Armband in Lederoptik mit dem charakteristischen Trensenverschluss in Metalloptik zeigten. Die vorhandenen Unterschiede wie beispielsweise der Farbkontrast zwischen Innen- und Außenseite des Lederarmbandes, anders verlaufende Nähte auf dem Lederarmband bzw. die Flechtung des Armbandes seien nicht geeignet, einen anderen Gesamteindruck zu erzeugen, da sich der den Gesamteindruck des Klagegeschmacksmusters maßgeblich prägende Trensenverschluss nahezu identisch bei den angegriffenen Mustern finde. Zur gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sowie der Folgeansprüche sei die Klägerin schließlich als ausschließliche Lizenznehmerin des Klagegeschmacksmusters befugt, was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet.

Hinsichtlich des geltend gemachten Zahlungsanspruchs behauptet die Klägerin, ihr seien vorgerichtliche Abmahnkosten in Höhe von insgesamt 4.102,- € (2 x 1,5 Gebühr nach 100.000,- € zzgl. Kostenpauschale) entstanden. Diese seien ihr am 07.11.2013 (Anlage K 16) in Rechnung gestellt und von ihr bezahlt worden. Zur Rechtfertigung des in Ansatz gebrachten Gegenstandswertes trägt sie vor, die Trensenarmbänder seien das Herzstück ihrer Kollektion und machten etwa 85 % des Gesamtumsatzes aus. Sie sei hiermit am Markt überaus erfolgreich und bekannt. Hierzu führt sie unter Verweis auf die Anlagen K 7 bis K 15 näher aus.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. Es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,- ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Armbänder gemäß einer der folgenden Abbildungen

(A)
(B)
(C)

im Gebiet der Europäischen Union in den Verkehr zu bringen, zu bewerben, anzubieten und/oder zu vertreiben sowie in den Verkehr bringen, bewerben, anbieten und/oder vertreiben zu lassen

– bei denen die Trense als D-förmiger Ring ausgebildet ist,

– jeder D-förmige Ring aus einem C-Stück und einer zwischen die Enden des C-Stücks eingebrachten Achse gebildet wird,

– die Achse einen deutlich balligen Querbalken eines von zwei T-Stücken trägt,

– die beiden T-Stücke zusammen das sog. Gebiss der Trense bilden,

– von den beiden T-Stücken eines an dem dem anderen T-Stück zugewandten freien Ende eine Öse und das andere einen Haken trägt, so dass eine Haken-Ösen-Verbindung gebildet ist, und

– die Enden der C-Stücke gegenüber deren Mittelteilen, die von jeweils einem Endabschnitt eines Lederbandes umgriffen werden, deutlich verdickt sind;

2. der Klägerin schriftlich Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang der Handlung gemäß Ziffer I.1., und zwar durch Vorlage eines geordneten Verzeichnisses, das Angaben für die Zeit seit dem 23. Februar 2009 zu enthalten hat über

a) die Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreise, Abnehmer und Auftraggeber,

b) die Namen und Anschriften der Hersteller bzw. Lieferanten und anderer Vorbesitzer, sofern die Beklagte die Waren nicht selbst hergestellt hat,

c) Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreise und Angebotsempfänger,

d) Gestehungskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfaktoren, Vertriebskosten und erzielten Gewinne,

e) die betriebene Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbemedien, deren Auflagehöhe, Verbreitungszeitraum, Verbreitungsgebiet und der für die Werbung aufgewandten Kosten;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I. 1. entstanden ist und zukünftig noch entstehen wird;

III. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.102,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinsatz p.a. seit dem 08.03.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Drittwiderklagend beantragt die Beklagte,

das Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. #####/####-0002 für nichtig zu erklären.

Die Drittwiderbeklagte beantragt,

die Drittwiderklage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, das Klagegeschmacksmuster sei nicht rechtsbeständig. Die nach dem Klagegeschmacksmuster gefertigten „Alba“-Trensenarmbänder seien bereits vor dem 23.02.2008 und damit außerhalb der Neuheitsschonfrist an die Inhaberin des in Düsseldorf ansässigen Horse-Shops verkauft worden. Der Neuheit und Eigenart des Klagegeschmacksmusters stünden auch die angegriffenen Muster entgegen, sollte – wie von ihr aber bestritten – von einem übereinstimmenden Gesamteindruck ausgegangen werden. So seien die angegriffenen Armbänder im Zeitraum bis Januar 2008 von Herrn B und einem weiteren Designer in Indien für die Maria Exports International entworfen und produziert worden und sodann im Herbst 2008 erstmals auf der Spoga Horse Herbst – Internationale Fachmesse für Pferdesport in Köln (im Folgenden: Spoga Horse) präsentiert worden. Schon zuvor seien sie im Juni 2008 an einen Händler in Frankreich verkauft worden.

Jedenfalls aber stellten die angegriffenen Armbänder keine Verletzung des Klagegeschmacksmusters dar. Hierbei sei zunächst zu berücksichtigen, dass der Schutzbereich des Klagegeschmacksmusters durch den Formenschatz, wie nachfolgend abgebildet

[Abb.]

sowie die zugunsten der Firma H.P.A. eingetragenen Marken, z.B. die IR-Marken 653461, 653460 (Anlage LR 33) eingeschränkt sei. Die angegriffenen Ausführungsformen vermittelten einen anderen Gesamteindruck. Dieser resultiere insbesondere aus der bei zwei Mustern vorhandenen goldfarbenen Ausprägung des Verschlusses, bei zwei Mustern sei das Wickelarmband überdies zweifarbig ausgestaltet und zeige eine markante Nahtführung bzw. sei mit Strasssteinen verziert; ein Armband sei überdies geflochten und auch nur einfach um das Handgelenk zu legen.

Die Kammer hat Beweis erhoben nach Maßgabe der (Beweis-)Beschlüsse vom 15.07.2015 (Bl. 142 f. GA), 05.02.2016 (Bl. 263 f. GA) und 03.05.2016 (Bl. 281 GA) durch Vernehmung der Zeugen M de Laet, Ingrid C2, Dr. N und B sowie durch Parteivernehmung der Drittwiderbeklagten/Geschäftsführerin der Klägerin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 01.09.2015 (Bl. 184 ff. GA), 03.05.2016 (Bl. 275 ff. GA) und vom 07.09.2016 (Bl. 329 ff. GA) verwiesen. Der Beschluss vom 07.07.2016 (Bl. 307 f. GA) ist nicht ausgeführt worden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg (nachstehend unter B.). Die Drittwiderklage ist zulässig und begründet (nachstehend unter A.).

A.
Die Drittwiderklage ist zulässig und begründet.

I.
Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Drittwiderklage grundsätzlich unzulässig, wenn sie sich ausschließlich gegen einen am Prozess bislang nicht beteiligten Dritten richtet, allerdings kann in besonders gelagerten Fällen eine Ausnahme von diesem Grundsatz geboten sein (BGH NJW 2001, 2094 f. m.w.Nw.). So soll das Rechtsinstitut der Widerklage die Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozesses verhindern. Zusammengehörende Ansprüche sollen einheitlich verhandelt und entschieden werden können (BGH  a.a.O.). Dies ist jedenfalls auch in einem Fall wie dem vorliegenden geboten. So ist die Drittwiderbeklagte als Klagegeschmacksmusterinhaberin nur deshalb nicht Klägerin und – damit ohne Weiteres zulässig – Widerbeklagte, weil sie, was aufgrund ihrer Stellung als Geschäftsführerin der hiesigen Klägerin zumindest konkludent durch die Beauftragung des Klägervertreters mit der Klageerhebung erfolgt ist, die hiesige Klägerin mit der gerichtlichen Geltendmachung als Prozessstandschafterin ermächtigt hat.

II.
Auf den Drittwiderklageantrag der Beklagten ist das Klagegeschmacksmuster gemäß Art. 86 Abs. 1 lit. a) i.V.m. Art. 25 Abs. 1 lit. b) Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV) für nichtig zu erklären.

1.
Das Klagegeschmacksmuster zeigt ein Armband, das durch folgende Gestaltungsmerkmale geprägt wird:

(1) zweifach gewickeltes, schmales Armband,

(2) einfarbig und in Lederoptik,

(3) dessen Verschluss in Form einer metallischen Trense gestaltet ist,

(4) die wiederum als D-förmiger Ring ausgebildet ist, wobei

a) jeder D-förmige Ring aus einem C-Stück und einer zwischen die Enden des C-Stücks eingebrachten Achse gebildet wird,

b) die Achse jeweils einen deutlich balligen Querbalken eines von zwei T-Stücken trägt,

c) die beiden T-Stücke zusammen das sog. Gebiss der Trense bilden,

d) von den beiden T-Stücken eines an dem dem anderen T-Stück zugewandten freien Ende eine Öse und das andere einen Haken trägt, so dass eine Haken-Ösen-Verbindung gebildet wird,

e) die Enden der C-Stücke gegenüber deren Mittelteilen, die von jeweils einem Endabschnitt eines Lederbandes umgriffen werden, verdickt sind.

2.
Das Klagegeschmacksmuster ist nicht bereits deshalb nach Art. 25 Abs. 1 lit. a) GGV nichtig, weil es widersprüchlich wäre und deshalb keinen einheitlichen Schutzgegenstand zeigen würde.

Gegenstand des Geschmacksmusterschutzes ist beim eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster – wie auch beim eingetragenen Design – die in der Anmeldung sichtbar wiedergegebene Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon, und zwar auch dann, wenn es unterschiedliche Darstellungen der Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teiles davon enthält, wobei Abweichungen in der Darstellung nicht zu einer Vermehrung der Schutzgegenstände führen (BGH GRUR 2001, 503, 505 – Sitz-Liegemöbel; BGH GRUR 2012, 1139 Rz. 17 ff. – Weinkaraffe). Wenn Darstellungen eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters verschiedene Ausführungen des Musters zeigen und dadurch Unklarheiten entstehen, muss der Schutzgegenstand durch Auslegung ermittelt werden (BGH a.a.O.; Brückner-Hofmann in Hasselblatt (ed.), Community Design Regulation, Art. 6 CDR mn. 57 et seq.; Eichmann/v. Falckenstein/Kühne-Eichmann, DesignG, 5. Aufl. 2015, § 37 Rz. 11 zum Designrecht). Diese kann ergeben, dass Schutzgegenstand gleichsam nur die Schnittmenge der Abbildungen ist. Ergibt sie hingegen, dass zwei verschiedene Erzeugnisse gezeigt werden, kann es an der Geschmacksmusterfähigkeit im Sinne des Art. 3 lit. a) GGV fehlen (zum Designrecht Eichmann/von Falckenstein/Kühne-Eichmann, a.a.O., § 33 Rz. 6).

Vorliegend werden drei verschiedene Ausführungsformen gezeigt, die sich lediglich in der farblichen Ausgestaltung des Armbandes unterscheiden. Da der informierte Benutzer weiß, dass Armbänder üblicherweise in den unterschiedlichsten Farben gefertigt werden, wird er das Klagegeschmacksmuster geltungserhaltend dahin auslegen, dass Schutz beansprucht wird für ein Armband, welches – unabhängig von der konkreten Farbstellung – jedenfalls einfarbig gestaltet ist und überdies eine Lederoptik aufweist. Dies entspricht auch der vom Bundesgerichtshof im vorzierten Urteil “Sitz-Liegemöbel” entschiedenen Konstellation, dass der Schutzgegenstand des Musters auf das beschränkt werden kann, was einheitlich wiedergegeben ist.

3.
Allerdings ist das Klagegeschmacksmuster gemäß Art. 25 Abs. 1 lit. b) GGV für nichtig zu erklären.

Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob diesem die erforderliche Neuheit G2, Art. 5 GGV. Denn jedenfalls verfügt es nicht über Eigenart im Sinne von Art. 6 GGV.

a)
Ein Geschmacksmuster hat dann Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck jedes vorbekannten Geschmacksmusters unterscheidet (BGH GRUR 2010, 718 ff. – Verlängerte Limousinen). Damit kann die Eigenart grundsätzlich nicht aufgrund einer Gesamtschau von mehreren vorbekannten Mustern verneint werden. Die Gesamtheit des vorbekannten Formenschatzes ist lediglich für den Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers von Bedeutung (vgl. Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 6 Rz. 13).

b)
Die Beklagte ist zwar den Beweis fällig geblieben, die nach dem Klagegeschmacksmuster gefertigten Armbänder seien von der Klägerin bzw. der Drittwiderbeklagten selbst außerhalb der Neuheitsschonfrist des Art. 7 Abs. 2 GGV der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. So vermochte sie auch nicht innerhalb der mit Beschluss der Kammer vom 10.08.2016 gesetzten Ausschlussfrist (§ 356 ZPO) die ladungsfähige Anschrift der insoweit von ihr benannten Zeugin I mitzuteilen, weshalb der Beschluss vom 07.07.2016 nicht ausgeführt werden konnte. Dass die Klägerin bzw. die Drittwiderbeklagte die dem Klagegeschmacksmuster entsprechenden Armbänder innerhalb der Neuheitsschonfrist offenbart hat, hat gemäß Art. 7 Abs. 2 GGV für die Frage der Beurteilung der Neuheit und Eigenart unberücksichtigt zu bleiben.

c)
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht aber zur Überzeugung der Kammer fest, dass das im Klageantrag zu Ziffer I 1. abgebildete und mit (A) gekennzeichnete Muster im Herbst 2008 auf der Spoga Horse präsentiert worden ist, von dessen Gesamteindruck sich das Klagegeschmacksmuster nicht unterscheidet.

aa)
Die Zeugin M de Laet hat erklärt, sie habe im Nachgang einer im September stattgefundenen Spoga Horse Armbänder bei der Maria Exports International erworben, welche in ihrem Aussehen den im Klageantrag zu Ziffer I.1 als (A) und (C) gekennzeichneten Armbänder entsprochen hätten. Die Armbänder seien am Stand der Maria Exports International ausgestellt worden; über eine Webseite und einen Katalog verfüge die Maria Exports International auch gar nicht. Ob dies im Jahr 2007, 2008 oder 2009 gewesen sei, könne sie nicht mehr sagen. Auf Vorhalt der Ankaufsrechnungen vom 30.01.2009 und 31.01.2009 hat sie jedoch bestätigt, dass es sich um die entsprechenden Ankaufsrechnungen handele, die sie ihrem Bekunden nach selbst in Ablichtung dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zur Verfügung gestellt habe, und die die von ihr erworbenen Armbänder unter den Postionen „Armband Knitted“ und „Armband Double Fold“ aufführten.

Die Angaben der Zeugin de Laet erachtet die Kammer für glaubhaft, die Zeugin selbst für glaubwürdig.

Soweit nach § 286 ZPO zu beurteilen ist, ob eine Behauptung “wahr” ist, kommt es auf die “freie Überzeugung” des Richters an. Diese Überzeugung von der Wahrheit erfordert keine absolute, unumstößliche Gewissheit, da eine solche nicht zu erreichen ist. Das Gericht darf also nicht darauf abstellen, ob jeder Zweifel und jede Möglichkeit des Gegenteils ausgeschlossen ist. Es genügt vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, den den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH, NJW-RR 2007, 351; NJW-RR 1994, 567).

Die Zeugin de Laet hat nachvollziehbar, in sich stimmig und lebensnah geschildert, wie die Messebesuche und insbesondere die daraufhin erfolgten Bestellungen bei der Maria Exports International erfolgt sind und auch heute noch erfolgen. Dass sie weder die hier maßgeblichen Bestellmails noch die entsprechenden Fotos vorlegen konnte, stellt die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage nicht in Frage. Denn es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Zeugin bezüglich eines beanstandungslos abgewickelten Kaufs außer der Ankaufsrechnung noch Bilder und/oder die zugrundeliegende Bestellung aufbewahren sollte. Die Zeugin vermochte weiter sehr detailliert zu berichten, welche verschiedenen Armbänder die Maria Exports International auf der Messe gezeigt hatte. Dabei sieht es die Kammer weder als ungewöhnlich an, dass sich die Zeugin sicher daran zu erinnern wusste, dass es sich um die im September stattgefundene Messe, sprich die „Herbst-Spoga“ gehandelt hat, noch erscheint es ungewöhnlich, dass die Zeugin ohne Weiteres zu bestätigen wusste, dass die zum damaligen Zeitpunkt von ihr erworbenen Armbänder so ausgesehen hatten wie die im Klageantrag zu Ziffer I.1. abgebildeten und mit (A) und (C) gekennzeichneten Armbänder. Denn die Zeugin vermochte ihre konkrete Erinnerung nachvollziehbar damit zu erklären, dass die Maria Exports International zwar schon länger ein fester Lieferant von ihr gewesen sei, sie aber weder vorher noch nachher Armbänder bei dieser erworben habe. Weiter habe sie die unter der Rechnung mit der Nr. STLM-786/100 abgerechneten Armbänder eigentlich für die Zeit vor den Feiertagen bestellt gehabt, sie seien dann aber erst im neuen Jahr geliefert worden. Letztlich stellt auch die Klägerin nicht in Abrede, dass die Zeugin de Laet die angegriffenen Armbänder vertrieben hat. Sie hat sie vielmehr im Rahmen der Beweisaufnahme damit konfrontiert, sie deshalb abgemahnt zu haben, was zusätzlich erklärt, weshalb sich die Zeugin an die Armbänder besonders erinnern kann.

Die Aussage der Zeugin steht auch im Einklang mit der Aussage des Zeugen B, der, wie später noch näher ausgeführt wird, ebenfalls bekundet hat, die Armbänder erstmals im Jahr 2008 auf der Spoga Horse präsentiert zu haben.

Die Kammer sieht die Aussage der Zeugin de Laet auch nicht als reine Gefälligkeitsaussage an. So ist nicht ersichtlich, weshalb die Zeugin zu einer solchen veranlasst sein sollte. Sie selbst handelt mit den Armbändern nicht mehr; die ihr gegenüber ausgesprochene Abmahnung ist erledigt. Die Maria Exports International ist zwar eine Lieferantin von ihr. Es besteht aber weder Grund zur Annahme, es handele sich um ihre ausschließliche Lieferantin noch, dass diese jedenfalls eine besonders wichtige Lieferantin für die Zeugin ist. Geschäftliche Verbindungen zur Beklagten bestehen gar nicht. Gründe, für die Beklagte oder die Maria Exports International eine falsche Aussage zu machen, könnten daher allenfalls in einer persönlichen Beziehung der Zeugin zur Beklagten oder zur Maria Exports International liegen, die aber nicht ersichtlich sind.

Nach alledem steht zur Überzeugung der Kammer eine Vorveröffentlichung des im Klageantrag zu Ziffer I.1 abgebildeten und mit (A) gekennzeichneten Musters fest.

bb)
Von dessen Gesamteindruck unterscheidet sich das Klagegeschmacksmuster nicht, so dass es nicht über die erforderliche Eigenart verfügt.

So zeigt bereits das im Klageantrag zu Ziffer I.1 abgebildete und mit (A) gekennzeichnete Armband ein zweifach gewickeltes, schmales Armband in Lederoptik, dessen Verschluss in Form einer Trense gestaltet ist, die wiederum als D-förmiger Ring ausgebildet ist, wobei jeder D-förmige Ring aus einem C-Stück und einer zwischen die Enden des C-Stücks eingebrachten Achse gebildet wird, die Achse jeweils einen deutlich balligen Querbalken eines von zwei T-Stücken trägt, die beiden T-Stücke zusammen das sog. Gebiss der Trense bilden, von den beiden T-Stücken eines an dem dem anderen T-Stück zugewandten freien Ende eine Öse und das andere einen Haken trägt, so dass eine Haken-Ösen-Verbindung gebildet wird, und die Enden der C-Stücke gegenüber deren Mittelteilen, die von jeweils einem Endabschnitt eines Lederbandes umgriffen werden, verdickt sind.

Für den Gestalter eines Armbandes besteht im Grundsatz ein großer Gestaltungsspielraum. Zudem setzt sich das angegriffene Armband (A), auch wenn die von der Beklagten angeführten Entgegenhaltungen als vorbekannt unterstellt werden, erkennbar vom Formenschatz ab. Deshalb vermögen nicht bereits geringe Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck hervorzurufen. Der Umstand, dass das Lederarmband beim Klagegeschmacksmuster einfarbig ist und die Nähte nur rechts und links entlang der Außenseite des Lederarmbandes geführt werden, ist indes ebenso wie der metallische Verschluss anstelle eines goldfarbenen Verschlusses nur eine für den Gesamteindruck unwesentliche Abweichung im Detail. So ist die Innenseite eines Armbandes in der Tragessituation, auf die der informierte Benutzer für die Beurteilung des Gesamteindrucks maßgeblich abstellt, kaum sichtbar, die Nahtführung des angegriffenen Armbandes (A) wiederum nicht so markant, als dass die schlichtere Nahtführung beim Klagegeschmacksmuster einen anderen Gesamteindruck zu erzeugen vermöchte. Schließlich ist der metallische Verschluss des Klagegeschmacksmusters ebenso wie der goldfarbene Verschluss des angegriffenen Armbandes (A) ein klassiches Schmuckmaterial bzw. eine übliche Schmuckfarbe.

d)
Die Offenbarung des angegriffenen Armbandes (A) auf der Spoga Horse hat für die Beurteilung der Eigenart des Klagegeschmacksmusters auch nicht unberücksichtigt zu bleiben.

Nach Art. 7 Abs. 2 und 3 GGV bleibt eine Offenbarung bei der Anwendung des Art. 6 GGV unberücksichtigt, wenn ein Geschmacksmuster, das als eingetragenes Geschmacksmuster geschützt werden soll, als Folge einer missbräuchlichen Handlung gegen den Entwerfer oder seinen Rechtsnachfolger der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Dabei ist Art. 7 Abs. 2 und 3 GGV nicht nur dann anwendbar, wenn Entgegenhaltung und angemeldetes Geschmacksmuster von demselben Entwerfer herrühren, sondern auch im Falle der Offenbarung eines abgeleiteten, aber veränderten Geschmacksmusters durch einen Dritten, sofern das ursprüngliche und das abgeleitete Geschmacksmuster denselben Gesamteindruck hervorrufen (Ruhl, a.a.O., Art. 7 Rz. 53 ff.).

aa)
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Drittwiderbeklagte das Klagegeschmacksmuster entworfen hat. Diese Überzeugung beruht auf den Aussagen der Zeugen Dr. N und C2 in Verbindung mit den von der Klägerin und der Drittwiderbeklagten zum Verfahrensgegenstand gemachten Unterlagen sowie der Parteivernehmung der Drittwiderbeklagten.

Der Zeuge Dr. N hat bekundet, die Drittwiderbeklagte habe ihm Ende 2006 bei einem gemeinsamen Treffen von ihren Plänen berichtet und in seinem Beisein die als Anlage LR 31 in Ablichtung zu den Akten gereichten Entwurfsskizzen gefertigt. Später habe er dann auch fertige Produkte gesehen, wobei er jetzt nicht genau sagen könne, wie die einzelnen von der Drittwiderbeklagten vertriebenen Armbänder aussähen und unter welcher Bezeichnung sie vertrieben würden. Es gebe aber zweifach gewickelte und dreifach gewickelte Armbänder und der Name „Alba“ sei mehrfach in gemeinsamen Gesprächen gefallen. Aus seiner Sicht sei die kreative Leistung allein von der Drittwiderbeklagten erbracht worden; deren Mitarbeiter in der damaligen E GmbH seien seiner Ansicht nach hierzu nicht befähigt gewesen.

Die Zeugin C2 hat ausgeführt, im Rahmen ihres Bewerbungsgesprächs bei der Drittwiderbeklagten im Januar 2008 habe diese ihr ein fertiges Armband, zweifach gewickelt mit Trensenverschluss, gezeigt und erklärt, dieses solle jetzt auf den Markt gebracht werden. Sie habe ihr gegenüber das weitere Vorgehen erläutert und im Falle des Erfolgs der Geschäftsidee eine Anstellung in Aussicht gestellt, wozu es dann letztlich ab Oktober 2008 auch gekommen sei.

Die Aussagen der Zeugen waren glaubhaft. Sie waren ohne jeden Widerspruch, detailliert und lebensnah. Auch wenn der Zeuge Dr. N in einer freundschaftlichen Beziehung zur Drittwiderbeklagten steht und die Zeugin C2 bei der Drittwiderbeklagten angestellt ist, besteht kein Grund, an der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu zweifeln. Vielmehr haben sie unumwunden eingeräumt, nur Ausschnitte des Entwicklungsprozesses unmittelbar oder im Falle der Zeugin C2 sogar nur mittelbar durch Erzählungen des Zeugen Dr. N mitverfolgt zu haben.

Die Aussagen der Zeugen allein vermochten zwar noch keine Überzeugung der Kammer zu begründen, sie erbrachten jedoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung, weshalb die Kammer die Voraussetzungen für die Vernehmung der Drittwiderbeklagten als Partei gemäß § 448 ZPO für gegeben erachtete. Der Umstand, dass die Drittwiderbeklagte im Beisein des Zeugen Dr. N die Skizzen zeichnete, sie allein gegenüber der Zeugin C2 als die für die Umsetzung der Geschäftsidee verantwortliche Person auftrat und sich, wie das als Anlage LR 33 vorgelegte Rechtsgutachten der Kanzei Bardehle Pagenberg zeigt, rechtlich diesbezüglich beraten ließ, begründeten jedenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Entwerfereigenschaft der Drittwiderbeklagten.

Die Drittwiderbeklagte hat sodann im Rahmen ihrer Parteivernehmung ausführlich und schlüssig zum Entwicklungsprozess vorgetragen. Sie hat plausibel geschildert, wie die Idee entstanden sei, welche Schwierigkeiten (tatsächlicher und rechtlicher Art) bei der Umsetzung der Idee aufgetreten waren und wann und wo sie die ersten fertigen Produkte auf den Markt gebracht hatte. Anhaltspunkte dafür, dass trotz allem ein anderer der Entwerfer des Klagegeschmacksmusters ist, bestehen für die Kammer nicht und vermochte auch die Beklagte nicht aufzuzeigen.

bb)
Allerdings hat die Drittwiderbeklagte nicht zu beweisen vermocht, dass das angegriffene Muster (A) als Folge einer missbräuchlichen Handlung gegen die Drittwiderbeklagte offenbart worden ist.

Für die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 3 GGV trägt im Grundsatz derjenige die Beweislast, der sich darauf beruft (Ruhl, a.a.O., Art. 7 Rz. 61). Allerdings kann für das Verhalten der als Verletzer belangten Partei ein Anscheinsbeweis sprechen; so  ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes seit langem anerkannt, dass mittels eines Anscheinsbeweises nicht nur von einem feststehenden Verhalten auf den Zusammenhang mit einem eingetretenen Erfolg, sondern auch umgekehrt von einem eingetretenen Erfolg auf ein bestimmtes Verhalten als Ursache geschlossen werden kann (BGH NJW 1991, 230 f. m.w.Nw.). Je nach Fall kann sich die Beweislast sogar umkehren.

Dabei ist indes Zurückhaltung geboten. Art. 7 Abs. 3 GGV kommt nur bei Annahme eines übereinstimmenden Gesamteindrucks zur Anwendung und sieht dabei die Beweislast grundsätzlich bei demjenigen, der sich auf die Rechtsfolgen des Art. 7 Abs. 3 GGV berufen möchte. Hieraus folgt, dass nicht bereits dann das Vorliegen eines Anscheinsbeweises, geschweige denn einer vollständigen Beweislastumkehr angenommen werden kann, wenn die angegriffene Ausführungsform objektiv in den Schutzbereich des Klagegeschmacksmusters fällt. Vielmehr müssen besondere Umstände vorliegen, die den Schluss nahelegen, dass das geschützte Geschmacksmuster nachgeahmt wurde (zu Art. 19 Abs. 2 GGV: Ruhl, a.a.O., Art. 19 Rz. 75). So hat die Kammer – im Rahmen der Prüfung des Art. 19 Abs. 2 GGV – für den Fall, dass die angegriffenen Ausführungsformen sämtliche Gestaltungsmerkmale des Klagegeschmacksmusters in identischer Form aufweisen (LG Düsseldorf, Urteil vom 18.04.2007, 14c O 78/06 – Streifen-Stoffmuster), oder für den Fall, dass neben dem übereinstimmenden Gesamteindruck besondere Umstände vorliegen, wie z.B. dass das „Original“-Produkt und das angegriffene Produkt vom selben Hersteller stammen (LG Düsseldorf, Urteil vom 02.07.2015, 14c O 55/15 – Stoffmuster) entschieden, dass den belangten Verletzer die Beweislast dafür trifft, dass es sich um eine unabhängige Parallelschöpfung handelt. Ein vergleichbarer Fall, der eine Umkehr der Beweislast rechtfertigte, liegt nach Auffassung der Kammer hier nicht vor. Weder sind Klagegeschmacksmuster und angegriffenes Muster (A) vollständig identisch, noch zeichnete sich das Klagegeschmacksmuster – wie noch ausgeführt werden wird – im relevanten Zeitraum der Entwicklung und der Produktion der angegriffenen Muster durch eine besondere Bekanntheit aus, bei der eine Kenntnis des belangten Verletzers mehr als bloß möglich gewesen wäre. Allerdings rechtfertigt der Umstand, dass sich zumindest einzelne Gestaltungsmerkmale des Klagegeschmacksmusters in nahezu identischer Form bei dem angegriffenen Muster (A) finden, nämlich der Trensenverschluss, die Annahme eines Anscheinsbeweises für das Vorliegen einer Nachahmung. Denn bei Identität von nicht-trivialen Gestaltungsformen wie hier drängt sich aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze der Schluss auf, dass eine Nachahmung vorliegt.

Indes hat die Beklagte diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern vermocht. Der Anschein kann durch einen vereinfachten Gegenbeweis erschüttert werden. Der Gegner braucht hierzu nur die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Ablaufs zu beweisen. Die Tatsachen, aus denen eine solche Möglichkeit abgeleitet werden soll, bedürfen allerdings des vollen Beweises (Zöller-Greger, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, Vor § 284 Rz. 29).

Die Beklagte hat mithilfe der Aussage des Zeugen Y beweisen vermocht, dass dieser die angegriffenen Armbänder, insbesondere also auch das angegriffene  Muster (A) selbst gemeinsam mit Herrn C entwickelt und produziert hat. Der Zeuge hat detailliert und anschaulich beschrieben, er sei zum einen von einem trensenförmigen Dekorationselement, welches schon seit vielen Jahren am Stirnriemen des Zaumzeugs genutzt werde, inspiriert worden. Ein Exemplar hiervon hat er auch zur Akte gereicht. Zum anderen habe er solche Dekorationselemente zuvor auch auf Taschen von Gucci und bei Gürteln gesehen und er habe es selbst in geschlossener Form für Armbänder genutzt. Aus diesem geschlossenen „Trensengebiss“ habe er sodann ein offenes entwickeln wollen, weil Kunden das bisherige als altmodisch und zu sehr an Pferdegeschirre erinnernd befunden hätten. Deshalb habe er gemeinsam mit dem auf Metallverarbeitung spezialisierten Betrieb des Herrn C nach einer Lösung gesucht. Ausgehend von den im Januar 2008 erstellten Zeichnungen seien in den folgenden zwei bis drei Monaten Formen hergestellt und erste Muster produziert worden. Da deren Oberfläche nicht gut gewesen sei, habe die Form innerhalb dieser ersten zwei bis drei Monate überarbeitet werden müssen. Sodann hätten die endgültigen Muster hergestellt werden können, an die er dann noch die Lederbänder angebracht habe.

Der Verwertbarkeit der Aussage des Zeugen B steht nicht entgegen, dass dieser ausweislich des Protokolls keine konkreten Angaben zu seinem Wohnort gemacht hat, vielmehr diesbezüglich nur „wohnhaft in Indien“ aufgenommen wurde. Die Vernehmung zur Person dient der Feststellung der Identität des Zeugen. G2 sie (ganz oder teilweise) ist sie kein Hindernis für die Beweisverwertung, solange kein Zweifel an der Identität der Person besteht (Zöller-Greger, a.a.O., § 395 Rz. 2). Berechtigte Zweifel an der Identität des Zeugen hatten aber weder die Kammer noch die Parteien während des Beweisaufnahmetermins; auch vermochten die Klägerin und die Drittwiderbeklagte solche Zweifel im Anschluss hieran nicht aufzuzeigen. Allein der Umstand, dass es in Indien eine Vielzahl von Personen dieses Namens geben soll, lässt jedenfalls solche Zweifel nicht aufkommen, da unklar ist, wie eine solche Person ohne Ladung Kenntnis von dem Beweisaufnahmetermin und dem Beweisthema erlangt haben soll.

Die Aussage des Zeugen erachtet die Kammer für glaubhaft und seine Person für glaubwürdig.

Der Zeuge wusste nachvollziehbar zu den Einzelheiten der Entwicklung zu berichten, insbesondere schilderte er, dass und weshalb es verschiedener Anpassungen bedurft hatte, bis das endgültige Produkt fertiggestellt war. Er vermochte zudem auf Nachfrage der Kammer anhand der vorgelegten Muster zu erläutern, weshalb der Trensenverschluss die finale Gestalt erhalten hatte. So führte er aus, Herr C habe empfohlen, die vorbekannte runde Ringgestaltung zu einer eher U-förmigen Gestaltung abzuwandeln, um die Beweglichkeit des Ringelements und damit den Tragekomfort des Armbandes zu steigern. Die Enden der U-förmigen Stücke seien im Verhältnis zu deren Mittelteilen verdickt, da zwischen diesen die Achse eingebracht werde und dieser Bereich deshalb verstärkt sein müsse.

Dass der Zeuge keine Vielzahl an Zeichnungen vorlegen konnte, steht der Glaubhaftigkeit seiner Aussage nicht entgegen. Die Entwicklung liegt acht Jahre zurück. Auch die Drittwiderbeklagte vermochte mit den Anlagen LR 31 und LR 32 nur Ausschnitte ihrer Entwicklungstätigkeit durch Zeichnungen zu belegen. Weiter hat auch die Drittwiderbeklagte eigenem Bekunden nach nicht ein Jahr ununterbrochen an der Entwicklung ihrer Idee gearbeitet, diese sei vielmehr eher nebenbei gelaufen, da sie zum damaligen Zeitpunkt noch im vollem Umfang in der Verkaufsförderung tätig gewesen sei. Entsprechend steht der Glaubhaftigkeit des Zeugen nicht entgegen, dass er, zumal unterstützt durch Herrn C, relativ zügig eine konkrete Idee von der Gestaltung hatte, deren Umsetzung dann jedoch dem Bekunden des Zeugen nach ebenfalls noch einige Zeit in Anspruch genommen hatte.

Der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen B steht weiter nicht entgegen, dass er zunächst bekundet hat, die Armbänder erstmals auf der Spoga Horse im September 2008 Kunden präsentiert zu haben, und auf Vorhalt der Anlage B 6 einräumte, er habe die Armbänder tatsächlich vorher schon an einen Kunden aus Frankreich verkauft, der Urlaub in Indien gemacht habe und dabei sein Unternehmen besucht habe. Im Gegenteil spricht diese „Verbesserung“ seiner Aussage dafür, dass der Zeuge sich nicht für die Vernehmung präpariert hat. Er wirkte bei Vorhalt der Anlage B 6 auch nicht verunsichert, sondern vermochte ohne längeres Überlegen eine plausible Erklärung für die Umstände dieses Verkaufs zu nennen.

Schließlich ist auch die Aussage des Zeugen B nachvollziehbar, er habe die nach dem Klagegeschmacksmuster gefertigten Armbänder bei Entwicklung seiner Armbänder nicht gekannt. Die klägerischen Armbänder werden in China gefertigt. Die Maria Exports International hat ihren Sitz in Indien und ließ dort die Armbänder auch fertigen. Weiter hat die Drittwiderbeklagte im Rahmen ihrer Parteivernehmung ausgeführt und überdies durch Vorlage entsprechender Rechnungen (Anlagen K 22, 23) untermauert, dass sie die Armbänder beginnend mit Ende Februar 2008 zunächst nur in kleinsten Mengen verkauft hat (Armbänder (zweifach und dreifach gewickelt) mit dem Trensenverschluss: 89 Stück, davon Armband „Alba“: 34 Stück). Ende April 2008 habe sie dann anlässlich des Reitsportturniers „Horse & Dreams“ in Hagen ihre Armbänder ausgestellt. Dass sie dort schon wesentliche Umsätze erzielte, hat sie auf den Hinweis der Gegenseite, ihr diesbezügliches Vorbringen sei nicht hinreichend substantiiert, nicht weiter konkretisiert. Zu beachten ist auch, dass es sich nicht um eine Verkaufsmesse, sondern um eine Turnierveranstaltung handelte, so dass auch die angegebene Besucheranzahl von 54.000 Menschen keinen Schluss zulässt, die Armbänder hätten von der xxx Exports International oder einem ihrer Kunden zur Kenntnis genommen werden müssen. Soweit die Drittwiderbeklagte darüber hinaus zu ihren Ständen im Juli 2008 auf den Messen „TrendSet“ in München und „eurocheval“ in Offenburg sowie zu ihren Verkäufen an die Firma G. I2 GmbH & Co. KG vorgetragen hat, sind diese für die Frage der Kenntnisnahmemöglichkeit des Zeugen B schon deshalb unbeachtlich, da dieser bereits zeitlich vorher im Juni 2008 die Armbänder an einen Kunden in Frankreich verkauft hat. Dieser Vortrag erscheint auch keineswegs vorgeschoben. Denn bevor überhaupt die Klägerin und die Drittwiderbeklagte konkrete Angaben zum Entwicklungszeitraum und den anfänglichen Vertriebstätigkeiten gemacht hatten, hatte die Beklagte bereits vorgetragen, im Juni 2008 seien Armbänder an einen Kunden der xx Exports International in Frankreich geliefert worden. Es besteht deshalb kein Grund zur Annahme, der Vortrag der Beklagten sei nur möglichst passend gemacht worden.

B.
Aufgrund der mangelnden Rechtsbeständigkeit des Klagegeschamcksmusters bestehen die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung sowie die weiter geltend gemachten Folgeansprüche auf Auskunftserteilung, Schadenersatzfeststellung und Erstattung von Abmahnkosten nicht. Die Beklagte hat die fehlende Rechtsbeständigkeit auch in gemäß Art. 85 Abs. 1 S. 2 GGV statthafter Weise mit der Nichtigkeitswiderklage angegriffen.

C.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO.

Streitwert: Für die Klage 100.000,- €; für die Drittwiderklage 150.000,- €, wobei in Höhe eines Teilbetrages von 100.000,- € der Drittwiderklageanspruch denselben Gegenstand wie die Klage betrifft und nur in Höhe eines Teilstreitwertes von 50.000,- € eine Addition mit dem Klagestreitwert stattfindet (§ 45 Abs. 1 S. 3 GKG, der auch für den Fall der Drittwiderklage anwendbar ist, vgl. insoweit OLG Celle, Beschluss vom 24.08.2009, 11 W 34/09 bzw. 39/09, BeckRS 2010, 00063).